Dort, wo früher Mönche gen Himmel beteten, kommen heute Gäste aus aller Herren Länder zur Ruhe. Zu verdanken haben wir das Vocabolo Moscatelli Frederik Kubierschky und Catharina Lütjens, die hier im grünen Herzen Italiens ihre Idee einer Oase für all jene verwirklichen, für die Ankommen tief drinnen beginnt.
Interview: Marina Warth
Fotos: Vocabolo Moscatelli
FACES: Wie sind Sie zur Hotellerie gekommen?
Frederik Kubierschky: Durch meine Eltern, die eine Weinschänke in Bamberg, Deutschland hatten, als ich noch sehr klein war. Nach deren Trennung führte meine Mutter beinahe 30 Jahre lang ein Hotel. All die Erlebnisse vor und hinter den Kulissen haben mich sehr geprägt.
Catharina Lütjens: Durch meine Familie, die bis heute einen der bekanntesten Feinkostläden in Freiburg im Breisgau, Deutschland besitzen. Bereits in jungen Jahren habe ich hier im Party-Service bei Veranstaltungen mitgeholfen. Neben der Schule habe ich mir dann als Kellnerin mein Taschengeld verdient, bis ich mich nach dem Abitur für eine klassische Ausbildung zur Hotelfachfrau in einem Fünf-Sterne-Hotel in Berlin entschieden habe.
F: Wie beschreiben Sie Ihr Hotel in einem Satz?
FK & CL: Es ist ein ruhiger Kraftort, an dem man überall Liebe zum Detail spürt und auf interessante Charaktere trifft.
F: Führen Sie uns durch die Entwicklung Ihres Hotels von der Idee bis zum fertigen Resort!
FK & CL: Grob gesagt, handelt es sich um ein denkmalgeschütztes Kloster der Olivetaner aus dem 12. Jahrhundert – bestehend aus einem Hauptgebäude, einer Scheune bzw. Bauernhaus und einer Kirche und einem Park von ca. einer Hektare. Als wir das Gebäude erworben haben, war noch nicht genau klar, welche Form der Gastfreundschaft hier stattfinden sollte. Wir haben verschiedene Konzepte in Betracht gezogen und durch gesponnen. Eine Idee war, es als reine Event-Location zu entwickeln oder konkret nur auf Gruppen abzuzielen, die es wochenweise mieten könnten. Das Gebäude schreit aber nach einem gewissen Via-Vai. Ein Hotel definiert sich unter anderem sehr stark über die Menschen, die dort verkehren, und es war uns wichtig, uns gut in die lokale Community einzubetten und auch für die Eingeborenen ein Mehrwert zu sein. Deshalb entschlossen wir uns für unsere Interpretation eines klassischen Hotelbetriebes. Wir haben sehr konservativ restauriert und gleichzeitig frische und leichte Elemente eingebracht, die es zeitgenössischer wirken lassen, ohne aber den Respekt zur großen Handwerkskunst dieser Gegend zu verlieren. Der Stil ist eine Mischung aus nordeuropäischem und italienischem Mid-Century, gefertigt ausschließlich in Italien. Dank dieser Herangehensweise haben wir die Corona-Zeit gut und ohne Lieferengpässe überstanden. Die meisten Firmen sind aus der Gegend und maximal ein bis zwei Autostunden entfernt. Durch die bizarren Erfahrungen der Pandemie hatten wir auch etwas Angst davor, wie sich die Art und Weise entwickeln würde, wie Menschen in Zukunft Gesellschaft in der Öffentlichkeit erleben. Deshalb lag auch ein großes Augenmerk auf dem Garten und den Außenbereichen. Zusätzlich haben wir versucht, den Raum stets „gesellig“ zu gestalten, so dass er unsere BesucherInnen einlädt, Zeit miteinander zu verbringen. Die Feuerstelle, ein Halbmond aus Mikrozement, oder die freistehende Matite Bar aus Terracotta sind gute Beispiele. Abgesehen von diesen Hard Facts sind wir aber noch viel stolzer auf unser Team und unsere Gastfreundschaft. Wir versuchen, einen sehr familiären, frechen und lustigen Service zu bieten, ohne viel Chichi. Unsere Gäste danken es uns bis jetzt sehr!
F: Nennen Sie uns drei Gründe, weshalb wir unbedingt bei Ihnen übernachten sollten!
FK & CL: Tolle Begegnungen, bombastische Betten und großartiges Frühstück und zwar all day long! Letzteres war uns beiden wichtig, da wir im Urlaub gerne ausschlafen und man sich am Ende immer den Wecker stellen muss, um nicht das Frühstück zu verpassen – nicht so bei uns! (beide lachen)
Von tollen Gästen und dem vermaledeiten Fachkräftemangel
F: Was macht den Beruf des Hoteliers so spannend, und welche Aspekte sind eher mühsam?
FK & CL: Es sind definitiv die Gäste! Durch sie ist jeder Tag anders. Jeder Gast kommt mit einem anderen Rucksack an Erfahrung und Erwartungen. Dieses tägliche „sich aufeinander-einspielen“ ist eine großartige Herausforderung. Wir haben nur zwölf Zimmer und Suiten für maximal 24 Gäste. Das heißt: In der Regel bauen wir über ein bis drei Tage eine sehr gute Beziehung auf. Das kostet viel Kraft – gibt aber auch enorm viel. Ein bisschen wie Reisen… Mühsam? Ja, da wäre noch dieser vermaledeite Fachkräftemangel! Unser Gewerbe hat es etwas verschlafen, die Arbeitsbedingungen an die zeitgenössischen Bedürfnisse der Menschen anzupassen – dafür zahlen wir nun, ähnlich wie in der Pflege, einen hohen Preis. Aber wir sind zuversichtlich!
F: Woran müssen Hoteliers denken, worüber sich andere keine Gedanken machen?
FK & CL: Die Bedürfnisse der MitarbeiterInnen mit der anspruchsvollen Arbeit in der Hotellerie zu vereinen. Sich jeden Tag in die Lage des Gastes zu versetzen und es zu schaffen, am Ende sowohl den Gästen als auch den MitarbeiterInnen eine gute Zeit zu bescheren.
F: Worüber machen Sie sich zu viele Sorgen?
FK & CL: Strom- und Gas- bzw. Heizkosten. Die haben sich in den vergangenen Monaten vervierfacht.
F: Wie sind Sie als Chef und als Chefin?
FK: Noch etwas grün hinter den Ohren und oft klar überfordert. Ich verlange viel – gebe aber auch viel. Dies ist meine erste Position als „Head Coach“. Noch dazu waren meine vergangenen Führungspositionen alle in der Schweiz, wo eine andere Gangart gepflegt wird. Ich versuche jedenfalls immer, den Mitarbeitenden die Möglichkeit zu geben, sich zu entfalten und Freude an der Arbeit zu haben. Ich verlange von mir selbst, stets mit gutem Beispiel voran zu gehen. Meine persönliche Herausforderung ist, dass ich es immer allen recht machen möchte. Was natürlich nicht geht… Ich würde es mir viel einfacher machen, ab und zu zum Diktator zu werden. Manche Menschen brauchen das, aber so bin ich einfach nicht, und so will ich auch nicht arbeiten.
CL: Ich lege sehr viel Wert auf die Details. Wenn ich mir Option A in den Kopf gesetzt habe, fällt es mir schwer, mich mit Option B zufrieden zu geben. Unsere MitarbeiterInnen sagen mir nach, dass sie noch nie so eine Perfektionistin wie mich kennen gelernt haben. Dies schätzen und bewundern sie sehr, manchmal treibe ich sie damit aber auch in den Wahnsinn. (lacht) Ich selbst durfte eine sehr lehrreiche Schule genießen und habe große Freude daran, dieses Wissen heute mit unseren Mitarbeitenden zu teilen, verlange aber im Gegenzug auch das Interesse, dies anzunehmen und selber dann umzusetzen. Ich liebe Standards in einem Hotel, habe aber heute große Freude daran, unser Hotel so zu gestalten, dass wir nicht in Standards versinken, sondern ein gesundes Mittelmaß erschaffen, damit es dem Gast an nichts fehlt. Wenn er wieder kommt, soll er sich direkt „zuhause“ fühlen. Frederik ist definitiv der Ruhepol von uns beiden und von Liebe getrieben. Ich selbst bin eher die Realistin – damit gleichen wir uns gut aus und wissen, dass wir ein gutes Team sind.
Gäste sollen sich beim Verlassen fragen, wann sie wiederkommen
F: Was macht eine gute GastgeberIn aus?
FK & CL: Für uns immer Empathie! Sich auf seinen Gast einzustellen und gewisse Bedürfnisse zu antizipieren. Und damit meinen wir natürlich kein nerviges Nachschenken jedes Mal, wenn man das Weinglas in der Hand hatte.
F: Welche Gäste mögen Sie am liebsten?
FK & CL: Das ist unterschiedlich. Aber meistens sind es eben Gäste, die sich öffnen und uns etwas an Erkenntnissen oder Erfahrungen da lassen.
F: Was können Sie bei Gästen nicht leiden?
FK & CL: Respektlosigkeit. Vor allem dem Team gegenüber – aber das merken sie dann auch. Das kommt allerdings zum Glück sehr selten vor. Mit den meisten Gästen, die wir hier hatten, könnten wir uns auch einen gemeinsamen Urlaub vorstellen – da sind wir gesegnet!
F: Was ist Ihr Anspruch an Ihr Hotel?
FK & CL: Die Gäste sollen sich beim Verlassen fragen, wann sie wiederkommen können und nicht, ob es das wert war.
F: Wie haben sich die Ansprüche Ihrer Gäste in den vergangenen Jahren verändert?
FK & CL: Was die Infrastruktur angeht, hat sich da unserer Meinung nach einiges getan. Viele haben heute eine eigene Regendusche oder Badewanne zuhause. Damit kann man also nur noch schwer punkten. Wir stellen in den Zimmern zum Beispiel keine Fernseher berei, da die meisten Gäste sowieso mit einem Gerät reisen, auf dem sie ihre Lieblingsmedien konsumieren können. Dafür stellen wir gerne auf Nachfrage einen Smart TV oder Beamer ins Zimmer, wobei dies so gut wie nie vorkommt. Wir haben allerdings sehr viel in einen guten Wasserdruck und eine starke Internetverbindung investiert, sodass man gut verbunden bleibt. Was die Soft Skills anbelangt, geht es natürlich um maßgeschneiderte Erfahrungen, die unsere Gäste bei uns und im Umland erleben können. Wir sind dafür da, um diese Erfahrungen ausfindig und zugänglich zu machen und den Gast Teil unserer Local Community werden zu lassen. Und dann ist da natürlich noch alles rund ums Essen und Trinken. Die Menschen ernähren sich viel bewusster, und gleichzeitig wird es in Zukunft immer mehr ein Luxus sein, genau zu wissen, was man isst. Das bedeutet für uns, lokale Produkte erster Güte und tierische Produkte zu finden, von denen wir garantieren können, dass sie mit Würde entstanden sind.
Evakuierungsalarm!
F: Welche Geschichte aus Ihrem Alltag als GastgeberIn müssen Sie uns unbedingt erzählen?
FK & CL: Wir haben uns damals in einem Fünf-Sterne-Hotel in Zürich kennen gelernt. Frederik war Chef Concierge, und ich kam frisch aus der Ausbildung aus Berlin. Ich habe damals die Chance bekommen, ein neues, internes Department aufzubauen, das eine enge Zusammenarbeit mit dem Concierge mit sich brachte. Regelmäßig haben wir die Gäste gemeinsam begrüßt und auch wieder verabschiedet. Spätestens hier wussten wir: irgendwann etwas Eigenes, das wär’s! Eines Tages hat sich einer unserer damals gemeinsamen Vorgesetzten in der Lobby von uns verabschiedet mit den Worten: „Lasst mich wissen, falls ihr eines Tages euer eigenes Hotel eröffnet“ – und nun ist es so weit. Zusammen haben wir sehr viele lustige, verrückte und auch traurige Situationen im Hotelleben erlebt. Wir könnten ein ganzes Buch darüber schreiben. (beide lachen) Eine Geschichte daraus wäre dann jene, als das Hotel aufgrund eines bekannten Events in der Stadt ausgebucht war. Mitten in der Nacht wurde der Evakuierungsalarm ausgelöst – einen unpassenderen Zeitpunkt hätte es wohl nicht geben können, denn unter anderem war auch ein Hollywood-Star im Haus. Am nächsten Morgen haben wir uns bei allen Gästen entschuldigt, und jeder einzelne hatte ein Lächeln im Gesicht. Das werden wir nie vergessen, sowas erlebt man nicht alle Tage.
F: Worauf achten Sie, wenn Sie selbst auswärts übernachten?
FK & CL: Hauptsächlich auf freundlichen Service, Sauberkeit, gute Matratzen, guten Wasserdruck und gute Internetverbindung.
F: Was unterscheidet ein gutes von einem grandiosen Hotel?
FK & CL: Das Personal.
F: Wo steht Ihr eigenes Bett?
FK & CL: Wir haben eine kleine Wohnung mitten im Kreis 4 in Zürich und ein kleines Häuschen, zwei Kilometer vom Hotel entfernt hier in Umbrien.
Das halten Frederik Kubierschky & Catharina Lütjens von…
Kreuzfahrtschiffen:
sehr viele Menschen, auf engem Raum, die in die gleiche Richtung fahren. Nicht unser Ding…
Buffet-Essen:
vermeiden wir.
All-inclusive:
ist uns komplett fremd.
Trinkgeld:
bei gutem Service eine Selbstverständlichkeit.
Hunden im Restaurant und im Hotel:
Wenn sie gut erzogen sind, gar kein Problem.
Kindern im Restaurant und im Hotel:
wie mit Hunden. (beide lachen)
Animateuren:
bewundernswerte, lustige Leute.
Dresscodes:
nervig.
TripAdvisor:
spannendes Tool, wobei die Gewichtung zu stark auf der Betrachtung der Gäste liegt. Fairerweise sollten Hoteliers auch Gäste bewerten können. Airbnb ist hier für uns wegweisend.
OTAs:
tolle Tools, um die Sichtbarkeit zu erhöhen – ob man damit immer die richtigen Gäste anspricht, ist etwas fraglich. Reminder: immer direkt buchen!
Sharing Economy:
extrem spannend. In Zürich fantastisch! Hier in Italien teilt man sich vielleicht ein Schwein mit dem Nachbarn wie vor 40 Jahren…
Nachhaltigkeit:
eine Selbstverständlichkeit.
Fachkraeftemangel:
Wie bereits erwähnt: Wir sind selbst schuld!
Vocabolo Moscatelli
Mauern, die Geschichten übrig hätten für zahlreiche Bände, Design aus italienischer Feder, Möbelstücke von hiesigen HandwerkerInnen: Das ist das Vocabolo Moscatelli, mehr Refugium denn Hotel und das Baby von Frederik Kubierschky und Catharina Lütjens. Dort, wo das Herz Umbriens am lautesten schlägt, findet sich dieser Rückzugsort umgeben von jahrhundertealten Wäldern, Obstbäumen und duftenden Blumen innerhalb desselben Gemäuers, in dem schon andere Zuflucht suchten. Die Moderne verknüpft sich ganz natürlich mit dem Vergangenen und spinnt Design und dieses Gefühl mit ein, im Vocabolo Moscatelli einfach zuhause zu sein.
vocabolomoscatelli.com
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