Das Schöne fasziniert die Bernerin Ann Perica schon immer. Als Visagistin sorgte sie zehn Jahre lang für hübsche Gesichter, heute kreiert sie unter ihrem eigenen Namen Schmuckstücke aus Edelsteinen und Gold. Wie es war, als Newbie in der Schmuckwelt Fuß zu fassen und wie ihr Omas Schmuckschatulle den Weg wies, verrät Ann Perica im Interview.
FACES: Was unterscheidet dein Schmuckgeschäft von anderen Juweliermarken an der Zürcher Bahnhofstrasse?
Ann Perica: Vor allem die Möglichkeit, ein Schmuckstück individuell erstellen zu lassen. Von der Art des Goldes über die Edelsteine und deren Fassung kann man bei uns alles selbst aussuchen, und wir kreieren daraus dann nach den individuellen Vorstellungen das personalisierte Schmuckstück. Mir war es zudem stets wichtig, die Hemmschwelle bei den KundInnen zu durchbrechen, unser Schmuckgeschäft überhaupt zu betreten. Deshalb wirst du im Gegensatz zu den Juwelieren an der Bahnhofstrasse bei uns keinen Bodyguard finden, sondern musst bei uns einfach kurz klingeln, damit wir dir öffnen.
FACES: Das Schmuck-Business ist nicht nur hinsichtlich der Sicherheit ein ganz besonderes. Welche Dinge in der Branche haben dich überrascht, nachdem du dein Label gegründet hast?
Ann Perica: Bevor ich mich dazu entschied, selbst Schmuck zu kreieren und zu verkaufen, habe ich lange mit DiamanthändlerInnen und an Schmuckmessen gearbeitet. Dort habe ich mir den Großteil meines Wissens über Edelsteine angeeignet. In dieser Hinsicht hat mich also gar nicht so vieles überrascht. Schwieriger war es für mich dann tatsächlich, zur Chefin zu werden und eigene Mitarbeitende zu führen. Meine Lernkurve in dieser Hinsicht war groß und geht stetig weiter. Auch habe ich gelernt, mehr auf mein eigenes Bauchgefühl zu achten, als bei allem stets andere zu fragen, wie sie etwas handhaben würden. Es gibt kein Richtig oder Falsch, sondern lediglich Entscheidungen, die ich so treffe, wie sie zu mir und meinem Schmucklabel passen.
Die DNA von Ann Perica
FACES: Wie beschreibst du die DNA und Formsprache von Ann Perica?
Ann Perica: Als geometrische Formen mit Retro-Touch. Ich stehe auf die Siebzigerjahre und kramte schon als kleines Kind im Schmuckkästchen meiner Oma herum, die viele Teile aus jenem Jahrzehnt besaß. Es ist mir außerdem wichtig, einen Edelstein für sich sprechen zu lassen und diesen nicht mit verschnörkeltem Edelmetall zu überladen.
FACES: Mit dem Schmuckkästchen deiner Oma war der Grundstein für dein heutiges Schmucklabel, das du unter deinem eigenen Namen führst, gelegt. Tatsächlich hält dein CV aber einiges bereit, bevor es zur Gründung kam.
Ann Perica: Mein Lebenslauf ist tatsächlich irgendwie ein großes Durcheinander. (lacht) Lange dachte ich, meine diversen Stationen würden zusammen gar keinen Sinn ergeben, aber heute weiß ich, dass mir all diese Jobs bei dem helfen, was ich heute tue. Nach der Schule wollte ich unbedingt direkt arbeiten und entschied mich deshalb für die Kaufmännische Lehre anstatt fürs Gymnasium. Anschließend habe ich in Köln eine Visagistenschule besucht und rund zehn Jahre in diesem Business gearbeitet, bevor ich dann doch noch das BWL-Studium absolvierte. Über einen StudentInnenjob gelangte ich als Assistentin jüdischer Diamanthändler an die Uhren- und Schmuckmesse Baselworld. Rund zehn Jahre lang habe ich dann weltweit an diversen Schmuckmessen gearbeitet und mich immer tiefer in diese Branche hineinbegeben. Bevor ich dann mein eigenes Label gründete, habe ich zudem zwei Jahre lang bei einer Goldschmiedin gelernt, um das Handwerk der Schmuckproduktion besser zu verstehen.
FACES: Klingt, als wüsstest du aber trotz aller Umwege immer genau, was du willst. Ist das so?
Ann Perica: Ich habe wahnsinnig viele Ideen im Kopf. (lacht) Ich hätte wohl jeden Tag mindestens drei Ideen für ein eigenes Start-up – vom Burrito-Stand bis zum Currywurst-Take-Away in Bern. Vor der Gründung meines Labels habe ich all diese Ideen notiert und mir genau überlegt, was zu meinen Skills und meinen Vorstellungen eines Berufes passen würde. Über einen Schmuckanhänger mit duftender Pomade meiner Großmutter kam ich dann auf die Idee mit dem Schmuck, die mich zur Gründung meines Labels brachte.
Der Handel mit Edelsteinen
FACES: Für deine Schmuckstücke verwendest du aber auch viele Edelsteine. Wie muss man sich die Zusammenarbeit mit diesen HändlerInnen vorstellen?
Ann Perica: Durch meinen StudentInnenjob hatte ich die Gelegenheit, bereits mit zahlreichen HändlerInnen etwa in New York in Kontakt zu kommen. Diese Connections waren besonders zu Beginn Gold wert, und bis heute ermöglichen es mir diese HändlerInnen, einzelne Steine in Kommission zu nehmen. Das bedeutet, dass ich die Edelsteine meinen KundInnen zeigen und nur jene Teile bezahle, die ich tatsächlich verwenden kann.
FACES: Welche Lücke füllst du im Schweizer Schmuckmarkt?
Ann Perica: Tatsächlich habe ich meine Nische über meine eigene Verlobung gefunden. (lacht) Gemeinsam mit meinem heutigen Mann bin ich durch die verschiedenen Geschäfte gezogen und habe mir zahlreiche Ringe angesehen. Als ich dann meinen eigenen Ring auf Instagram gepostet habe, wurde ich mit so vielen großartigen Rückmeldungen überhäuft, dass ich wusste: Ich habe meine Nische gefunden. Deshalb kreieren wir Verlobungsringe für alle, die einen individuellen Ring möchten, der trotzdem kein No-Name-Produkt ist.
FACES: Du bist Designerin, aber keine gelernte Goldschmiedin. Hat dich das je behindert?
Ann Perica: Für verschiedene Menschen war das tatsächlich etwas schwierig zu begreifen, dass ich zwar Ringe designe, diese aber nicht zwangsläufig auch selbst herstelle. In anderen Ländern ist das allerdings ganz normal. Im Gespräch mit einem Goldschmied habe ich dann gelernt, dass gerade dieser Umstand kein Handicap ist, sondern auch ein Vorteil sein kann. Gerade weil ich erst das Design im Kopf habe und mich erst dann um die Umsetzung kümmere, entstehen teilweise ganz neue und spannende Herangehensweisen. Bei neuen Ohrringen kam es dann schon mal vor, dass ich meine Ideen erst mit Kunststoffperlen physisch umsetzte, um meinem Goldschmied zu zeigen, was ich mir genau vorstellte.
Die unterschiedlichen Varianten der Diamanten
FACES: Bei Edelsteinen denkt man schnell an Blood Diamonds. Wo kommen deine Edelsteine her, und worauf musst du achten, wenn du solche Stücke einkaufst?
Ann Perica: Ich möchte meinen KundInnen absolute Transparenz bieten. Es gibt drei Arten von Edelsteinen: diejenigen, die aus der Erde oder aus dem Meer gefördert werden, jene, die bereits geschliffen wurden und im Handel erhältlich sind, und solche aus dem Labor. Chemisch betrachtet, sind alle drei identisch. Es gibt Argumente für alle drei Arten von Edelsteinen. Bei Labor-Diamanten fällt die teils problematische Schürfung weg, allerdings benötigt die Herstellung aktuell noch sehr viel Energie, und die Preise auf dem Markt sind in den vergangenen Jahren stetig gesunken. Sie sind also weniger ein Investment-Objekt als andere natürliche Edelsteine. Meiner Meinung nach umgibt Altschliff-Diamanten ein besonderer Charme, weil ihre Facetten nicht ganz so perfekt geometrisch sind und deshalb das Licht auf eine etwas andere Art wiedergeben. Weil Edelsteine aus dem Boden immer wiederverwendet werden, ist es enorm schwierig, nachzuvollziehen, aus welcher Mine sie stammen und welchen Weg sie gegangen sind. Diese Rückverfolgung sicherstellen zu können, ist ein Anliegen, das die Schmuckbranche heute sehr beschäftigt. Schließlich liegt es an den KonsumentInnen, zu entscheiden, welche Art von Diamant sie am Finger oder am Hals tragen wollen.
FACES: Wie muss man sich das Business des Diamanthandels denn vorstellen?
Ann Perica: Tatsächlich ist das ein sehr altmodisches Business, in dem ein Handel oder Verkauf meistens per Handschlag beschlossen und mittels einer handgeschriebenen Quittung festgehalten wird. Als DesignerIn leihst du dir von den HändlerInnen die Steine aus, die für dich interessant sind, zeigst diese deinen KundInnen und bezahlst dann jene, die tatsächlich verwendet werden. Die Welt des Diamanthandels ist klein, und alles läuft auf Vertrauensbasis. Bezahlst du etwa deine LieferantInnen nicht, spricht sich das schnell herum.
FACES: Gibt es einen besonderen Edelstein, an den du dich erinnerst?
Ann Perica: An einer Versteigerung bei Sotheby’s durfte ich den größten Edelstein aus einem Diadem von Marie Antoinette in die Hand nehmen. Das war ein großer, blauer Tropfen, ein wahnsinnig seltenes Stück!
FACES: Hast du denn auch einen Lieblingsstein?
Ann Perica: Der Diamant fasziniert mich sehr, weil er sehr hart und robust ist und sich damit bei ganz vielen Designs einsetzen lässt. Ich arbeite sehr gerne mit champagnerfarbenen, grauen oder braunen Diamanten, die man nicht überall sieht. Das Grün von Smaragden zieht mich immer wieder in seinen Bann, allerdings sind diese Edelsteine etwas brüchig und daher schwieriger zu handhaben.
Die Schmuckbranche
FACES: Mit welchem Blick schaust du dir die Auslagen der Juwelierketten an der Zürcher Bahnhofstrasse an?
Ann Perica: Einerseits inspirieren mich die Entwürfe der großen MitbewerberInnen und vor allem legendäre Teile wie etwa die Designs von Elsa Peretti für Tiffany & Co. Es ist spannend zu sehen, wie solche bekannten DesignerInnen zu ihrer Zeit mit ihren Schmuckstücken die Branche revolutionierten. Andererseits vergleiche ich auch die Preise und die Qualität der Materialien und Schmuckstücke. Mir ist es sehr wichtig, dass ich Schmuck entwerfe, der lange für Freude sorgt, und ich meinen KundInnen einen guten Service bieten kann.
FACES: Was würdest du an der Schmuckbranche ändern wollen, wenn du könntest?
Ann Perica: Ich würde mir mehr Transparenz wünschen. Die KundInnen sollen verstehen, weshalb ein Schmuckstück einen bestimmten Preis hat. Viele Menschen begreifen zu wenig, wie viele Arbeitsstunden etwa in einem individualisierten Ring stecken. Oft erschrecken sich die SchmuckträgerInnen, wenn sie zum Beispiel ihren Verlobungsring verkaufen wollen und den reinen Materialwert von Gold und Edelstein sehen. Erst dann verstehen sie, wie hoch die eigentlichen Produktionskosten sind.
FACES: Der persönliche Kontakt mit deinen KundInnen ist ein wichtiger Bestandteil deines Businessmodells. Wie stehst du zum Onlinehandel, wenn es um Schmuck geht?
Ann Perica: Ich finde es super, dass man Schmuck auch online bestellen kann. Das Problem sind die großen Unterschiede hinsichtlich der Qualität einzelner Teile, die man durch ein Bild im Internet einfach nicht richtig beurteilen kann. Meiner Meinung nach macht es deshalb absolut Sinn, in einem Geschäft vorbeizugehen, das Schmuckstück in die Hand zu nehmen, anzuprobieren und sich mit der DesignerIn oder der GoldschmiedIn dazu auszutauschen.
Von Verlobungsringen und speziellen Anfragen
FACES: Welches waren bisher deine speziellsten Anfragen?
Ann Perica: Einmal haben wir für eine Kundin einen Revenge-Ring aus ihrem ehemaligen Ehe- und Verlobungsring kreiert. Dieser Fall stellte auch technisch eine große Herausforderung dar, weil die Fassung extrem verschlungen war und wir die Rubine und Diamanten zusätzlich neu platzieren mussten. Eine andere spannende Geschichte ist jene eines Paares, das getrennt voneinander zu uns kam und für den jeweils anderen einen Verlobungsring gekauft hat. Die beiden fuhren gemeinsam nach Frankreich in den Urlaub, wo sie sich gegenseitig einen Antrag machen wollten. Wir haben dann erfahren, dass die Frau mit ihrem Antrag schneller war. (lacht)
FACES: Sind Verlobungsringe nicht auch ein wenig spießig?
Ann Perica: Ich beobachte, dass dieser Brauch der Verlobung in der Schweiz gerade erst richtig Aufwind bekommt. Viele Paare, die zu uns kommen, gehen allerdings ganz anders an diese Verlobung heran und lösen sich von der sehr klassischen, traditionellen Vorstellung. Schlussendlich sind Traditionen aber auch immer etwas Schönes – wie bei Weihnachten zum Beispiel. Zudem gibt es so viele Möglichkeiten, das sehr klassische Design eines Verlobungsringes aufzubrechen und neu zu interpretieren.
FACES: Wie beschreibst du die Menschen, die bei dir nach einem Schmuckstück suchen?
Ann Perica: Als ein sehr modebewusstes Publikum, das nach Individualität strebt und teilweise sogar selbst in gestalterischen Berufen arbeitet.
FACES: Braucht es Trends im Schmuck-Business?
Ann Perica: Schmuck ist viel weniger schnelllebig als Mode. Im Verständnis der Zeitlosigkeit von Schmuck ticken die SchweizerInnen aber zum Beispiel anders als die AmerikanerInnen, die auch mal viel Geld für ein Trend-Teil ausgeben.
FACES: Wie viele Emotionen stecken in dem Schmuck, den du selbst trägst?
Ann Perica: Für mich besteht Schmuck eigentlich nur aus Emotionen, und jedes Teil hat eine Bedeutung. Ich trage einerseits das erste Schmuckstück, das ich selbst hergestellt habe, oder andererseits auch Teile, die früher meiner Großmutter gehörten. Auch viele meiner KundInnen kommen zu ganz speziellen Anlässen und in Situationen zu mir, an die sie sich durch den Kauf eines neuen Schmuckstücks erinnern möchten. Sie dabei zu begleiten, ist ein sehr beglückendes Gefühl!
Ann Perica
Schmuck mit Charme: Die Bernerin Ann Perica entwirft unter ihrem eigenen Namen Schmuckstücke, die garantiert nicht in der Schatulle versauern. Über Umwege gelangt die Unternehmerin zum Schmuck und entdeckt ihre Leidenschaft für Edelsteine. Ihr Steckenpferd: Verlobungsringe, die sie mit den jeweiligen Paaren gemeinsam entwirft. Neben den sehr persönlichen, individuellen Teilen kreiert Perica regelmäßig neue Fine-Jewellery-Kollektionen aus Ringen, Ohrhängern und Ketten. Das Design: Minimalismus mit Persönlichkeit.
Ann Perica, Seefeldstrasse 73, 8008 Zürich, Schweiz, annperica.com
Hier geht’s direkt zur Webseite von Ann Perica, wo du die schönen Schmuckstücke entdecken kannst.
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Fotos: © Livia Bass, Diyala Kayiran, Nadine Ottawa