Thomas Nellen ist der Mann, der aus Gesichtern Charakterköpfe macht. Am Set von „Killers of the Flower Moon“ sorgt er unter anderem dafür, dass Leonardo DiCaprio komplett mit seiner Rolle verschmelzen kann. Wie es backstage beim Film so zu- und hergeht, verrät uns Nellen im Interview.
FACES: Du lebst heute in Los Angeles, bist der persönliche Make-up Artist von Jeff Bridges und hast am Film „Killers of the Flower Moon“ mitgearbeitet. Wie lautet dein Erfolgsrezept?
Thomas Nellen: Glaube an dich selbst, und verfolge deine Träume. Besonderes wichtig: Erkenne die Chancen, die sich dir bieten, wenn sie direkt vor dir liegen.
FACES: Ohne welche deiner Handgriffe lässt du Jeff Bridges nicht vor die Kamera?
Thomas Nellen: Feuchtigkeitscreme und Sonnenschutz müssen immer sein! Abgesehen davon hängt es enorm von Jeffs aktuellem Projekt und seiner Rolle ab. Ein bisschen Haarspray ins Haar, den Bart etwas stutzen… und dann natürlich die Augenbrauen!
FACES: Welche Geschichte vom Set von „Killers of the Flower Moon“ musst du uns unbedingt erzählen?
Thomas Nellen: Die Arbeit an „Killers of the Flower Moon“ war eine unglaubliche und vor allem auch emotionale Erfahrung. Viele der beteiligten SchauspielerInnen und MitarbeiterInnen hinter den Kulissen haben einen direkten familiären Bezug zur Geschichte. Beinahe jeden Tag erfuhren wir von der Geschichte eines Familienmitglieds, das in jener Zeit, in der der Film spielt, sein Leben verlor. Das führte natürlich zu vielen Tränen und emotionsreichen Situationen.
FACES: Welche Looks waren bei „Killers of the Flower Moon“ die schwierigsten?
Thomas Nellen: Aufgrund der hohen Luftfeuchtigkeit und der Tatsache, dass wir den Film auf dem Höhepunkt der Corona-Pandemie gedreht haben, war es schwierig, die Gesichtsbehaarung der Schauspieler an Ort und Stelle zu halten. Zwischen den Takes nahmen die Schauspieler ihre Masken ab und setzten sie dann wiederum neu auf. Dann klebten nach einiger Zeit ihre Schnurrbärte in den Masken anstatt in den Gesichtern. Der Kleber stellte für uns tatsächlich eine richtige Herausforderung dar. Wir lösten das Problem damit, dass wir zwischen Haut und Haar Schichten einarbeiteten, auf denen das Kunsthaar kleben blieb. Auch schwierig: die traditionellen Looks der Osage, die ungeschminkt aussehen sollten. Der No-Make-up-Look bedeutet bekanntlicherweise nicht, dass gar kein Make-up verwendet wird. Da wir sechs Monate lang drehten, mussten wir zudem darauf achten, die Haut der SchauspielerInnen selbst dann im selben Ton zu zeigen, wenn sich diese durch die Sonne gebräunt hatte.
FACES: Welche Looks sind deine liebsten, und welche Figur würdest du zu gerne einmal schminken?
Thomas Nellen: Ich liebe historische Filme aus den Vierziger- und Fünfzigerjahren. Für mich wäre es ein Traum, in einem Biopic einer Hollywood-Göttin wie Greta Garbo oder Elisabeth Taylor zu neuem Leben verhelfen zu können.
FACES: Was ist der schlimmste Albtraum eines Maskenbildners?
Thomas Nellen: Wenn man sehr wenig Zeit hat, nicht genügend Personal zur Verfügung steht und jemand mit Tattoos ankommt, die vom Hals rauf ins Gesicht reichen! Deshalb habe ich immer eine Palette mit Tarnfarben mit dabei. Ein echter Albtraum ist auch, wenn man von einem Look ein Foto durch den Spiegel macht und erst beim erneuten Kreieren des Looks bemerkt, dass dieser seitenverkehrt ist…
FACES: Wie viel Glitz und Glam steckt in deinem Beruf?
Thomas Nellen: Auch wenn manche Leute annehmen, dass wir nur Champagner trinken und mit den Stars abhängen, ist es in Wahrheit ein harter und anstrengender Job. Es ist eine wunderbare Branche, aber Glitzer und Glamour, nein, nicht wirklich.
FACES: In Hollywood wurde lange gestreikt. (Wie) hat dich dieser Streik beeinflusst?
Thomas Nellen: Ich habe mit Jeff Bridges an „The Old Man“ gearbeitet, als der Streik begann. Mein Plan war, gemeinsam mit ihm die zweite Staffel zu beenden und dann für die zweite Staffel von „1923“ mit Harrison Ford und Helen Mirren nach Montana zu gehen. Allerdings wurde Ende Mai dessen Produktion eingestellt – und seitdem habe ich gar nicht mehr gearbeitet. Ich befürchte, dass dann alle gleichzeitig drehen wollen, sobald es wieder losgeht und ich dann ein Projekt dem anderen vorziehen muss.
FACES: Zukunftsszenario: Was denkst du, welche Rolle wird KI in der Filmindustrie spielen und welche Auswirkungen wird dies auf deinen Beruf als Maskenbildner haben?
Thomas Nellen: Nun ja, die Branche ist bereits stark betroffen, und ich bin mir sicher, dass es nicht in jeder Hinsicht besser werden wird. Ich hoffe allerdings, dass sich die menschliche Note durchsetzen wird. Die Branche hat sich in den vergangenen vierzig Jahren so sehr verändert, dass wir uns ständig anpassen und unsere künstlerische Herangehensweise ändern müssen.
FACES: Zum Schluss noch: toller Bart! Irgendwelche Pflege- und Styling-Tricks, die du uns verraten kannst?
Thomas Nellen: Vielen Dank, das weiß ich sehr zu schätzen. Wage es ja nicht, deinen Bart in nassem Zustand zu schneiden! Ich verwende bei mir stets eine Schere statt eines Rasierers. Und weil mein Barthaar besonders grob und kratzig ist, verwende ich zum Stylen einen Balsam, manchmal auch ein wenig Bartöl, um ihm Feuchtigkeit zu spenden und das Haar weicher zu machen. Dann kämme ich meinen Bart in alle Richtungen, bevor ich ihn mit den Händen in Form style.
Den Trailer zu „Killers of the Flower Moon“ kannst du dir hier anschauen.
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Teaserfoto: © Killers of the Flower Moon