Zu schön, um wahr zu sein…
Selbstachtung.
Was soll das sein? Die Achtung vor sich selbst, sehr witzig. Sonderlich viele Gedanken hatte ich mir über meine nie gemacht. Ich wusste, sie würde mich im Notfall davor bewahren, Dummes zu tun, sich vorher aber nicht großartig bemerkbar machen. Unnütz, aber gut zu wissen, dass sie da war. So wie ein Blinddarm. Mir war nicht klar, dass sie unbemerkt verschwinden kann. Ich war sicher, es würde mir auffallen, ehe es zu spät ist.
Tim, 34, gefiel mir sofort. Grübchen, gefolgt von dunkelblonden Locken. Ich war hingerissen, noch bevor ich mich durch sein gesamtes Profil durchwischte.
Filmfreak, kocht gerne.
Ausreichend, um mir eine eigene Realität zurecht zu spinnen, die uns beide sowie ein One-Way-Ticket nach Las Vegas betraf. Natürlich schrieb ich zuerst. Männer wie er schreiben Frauen nicht an, sie werden angeschrieben. Ein flotter, spontaner (meint zweieinhalb Stunden Überdenken-Revidieren-Neuverfassen-Alte-Version-Hervorholen) Dreizeiler verschaffte mir ein Kino-Date.
Bewaffnet mit zwei Spiderman-Karten, vorbestellt und abgeholt, wurde ich skeptisch. Zwanzig Minuten lief der Film bereits. Immer noch kein Tim. Für einen Filmfreak war das schon eine ziemliche Frechheit, fand ich.
Der Verkäufer nahm die Karten nicht zurück. Also machte ich mich zum Gespött. Jedem Paar, das fähig war, eine Verabredung einzuhalten, versperrte ich den Weg zur Kasse, um ihm meine Tickets zum halben Preis anzudrehen. Nachdem ich endlich fündig wurde, wollte ich mir nur noch die Decke über den Kopf ziehen.
Dann tauchte er auf. In Wirklichkeit sah er noch umwerfender aus. Meine Verärgerung verdunstete zu einem eklatant-erbärmlichen Groupie-Modus, als er mich fragte, ob er es wieder gut machen dürfte.
„Gern!“, platzte ich heraus und beraubte mich der Chance, mir eine platte Ausrede für seine Verspätung auftischen zu lassen. Ich bestellte mundgerechte Maki-Portionen, obwohl ich liebend gern die gigantischen Tempura-Rolls mit Erdnusssauce probiert hätte.
Tim verstand keinen (!) meiner Witze (dabei hatte ich ein paar echte Brüller parat). Nachdem offensichtlich war, dass wir nichts gemeinsam hatten, beschloss ich: Wir waren füreinander bestimmt.
Die Rechnung verzog sein Gesicht zu einem schmerzverzerrten Ausdruck.
„Sag mal, kannst du vielleicht zahlen? Geb’s dir per Paypal zurück.“
Frage: Wie viel sind wir bereit hinzunehmen, wenn wir uns zu jemandem hingezogen fühlen?
Selbstachtung: Ein unabdingbares Attribut, wenn wir nicht Erdlöcher als die neuen Accessoires lieben lernen wollen.
Schreiben ist ihr Steckenpferd: Die Kölnerin Sybille Statz liebt große Romanzen genauso wie Horrorfilme, Katzen und Serien der 90er. Noch mehr von ihr gibt’s in ihren beiden Kurzromanen „Matches for Real – Das Dating-Desaster“ und „After Sunset – Korallenrot“ sowie hier zu lesen.
Was unsere Autorin Sybille Statz beim Dating so alles erlebt? Hier findest du die weitere Folgen zum Lesen, Staunen und Schmunzeln.
Text: Sybille Statz