Jeder braucht Seife. Vielleicht ist genau das das Erfolgsgeheimnis von Hanna und Johan Olzon-Åkerström, die mit ihrer Firma Soeder Seife cool und das Händewaschen zu einem Vergnügen machen. Ein Blick hinter die Kulissen des Unternehmens, das Badezimmer in Hipster-Räume verwandelt.
FACES: Wie habt ihr es geschafft, aus Seife ein hippes Produkt zu machen?
Hanna & Johan Olzon-Åkerström: Gestartet haben wir ja nicht mit einer Seifenfabrik, sondern mit der Überzeugung für gut gemachte Produkten. Vor der Seife gab es eine ganze Reihe unterschiedlicher Produkte, mit denen wir uns eine Basis und damit einen Kundenkreis und Vertrauen geschaffen haben. Wir sind nicht frisch auf den Markt gekommen und wollten unsere Seife verkaufen, sondern hatten bereits ein Netzwerk an Freunden und Gleichgesinnten, die unser selbst hergestelltes Produkt schon kannten. Wir hatten ein gutes Produkt mit hoher Qualität, das für sich selbst sprach. So ist unser Netzwerk organisch gewachsen, mouth to mouth und übers Händewaschen. Seife an sich ist nicht hip, glauben wir, aber das Überdenken unseres eigenen Konsums ist zeitgemäß.
F: Soeder gibt es seit 2013. Wie hat damals alles begonnen?
H&JOA: Überhaupt auf die Idee zur Seife kamen wir, weil wir unzufrieden waren. Wir führten schon seit einiger Zeit ein Geschäft in der Zürcher Innenstadt, in dem wir nachhaltig produzierte Gebrauchsgegenstände verkauften. Seife war ein Produkt, das gut lief, dennoch dachten wir bei jeder Flasche, die über den Tresen wanderte: Das können wir besser machen. Johan lernte dann ein gutes halbes Jahr lang mittels Büchern und Youtube-Videos, wie man Seife kocht, und Hanna entwickelte derweil das Design. Die ersten Seifen sind dann tatsächlich auf unserem Herd in unserer Wohnung in Zürich entstanden. Während auf den einen Platten das Essen für ein Baby und ein Kleinkind zubereitet wurden, forschte Johan auf den anderen an den richtigen Mixturen für unsere Naturseife. Die erste Produktionsstätte war dann eine Garage in Zürich, und unsere Seifen verkauften wir als erstes auf einem Zürcher Weihnachtsmarkt.
F: Was bedeutet eigentlich euer Name Soeder?
H&JOA: Einerseits ist Soeder schwedisch und bedeutet „Süden“. Wir kamen vor Jahren aus Schweden in die Schweiz und sind mittlerweile richtige Zürcher und in der Stadt und mit ihrer Kreativszene bestens vernetzt. Mittlerweile bedeutet Soeder also viel mehr. Es steht für eine Seifenfamilie, die die bestehenden Verhältnisse auf den Kopf stellt. Es steht für Alltagsprodukte, die nicht weniger wollen, als die Welt ein kleines Stück besser zu machen. Und es steht für uns als Paar und unser Team, mit dem wir die Dinge gemeinsam anpacken und zwar mit einem freundlichen Lächeln, immer getreu dem Motto: we make things good.
F: Was waren seit der Gründung die größten Hürden?
H&JOA: Ein Start-up zu betreiben, heißt, alles selber zu machen, und das braucht sehr viel Energie. Das eigene Energielevel immer hochzuhalten, ist eine der größten Hürden. Das geht ja auch nur, wenn man ganz fest daran glaubt, was man macht. Der Wandel vom „Selbermacher“ zum „Leader“ ist speziell. Wir haben heute ein tolles Team und üben den Umgang auf gleicher Augenhöhe. Man muss sich selber aber immer wieder hinterfragen und die Perspektive von oben nicht vergessen, wenn man gut leiten will. Jetzt stehen wir vor dem Umzug der Fabrik, und dies wird eine logistische und planerische Hürde sein, die wir noch nie erlebt haben. Wir sind gespannt darauf!
„Seife an sich ist nicht hip.“
F: Wo und wie entstehen eure Seifen?
H&JOA: Alles wird in unserer eigenen Fabrik im Kanton Zürich produziert. Hier sind wir selber tätig und machen alles am Produkt, vom Rohmaterialeinkauf über die Produktion bis hin zum Versand. Aber auch der Vertrieb über eigene Kanäle und die Kommunikation realisieren wir hier. Die in unserer Fabrik bearbeiteten Rohstoffe stammen zudem alle aus natürlichen Rohmaterialien.
F: Womit überzeugt ihr den Konsumenten, sich eine eurer Seifen zum Nachfüllen zu kaufen?
H&JOA: Wir sind ehrlich mit dem, was wir machen, und sind sehr fest davon überzeugt, dass der heutige Kosmetikmarkt wahnsinning viel besser gemacht werden kann als der übliche Standard. Wir begegnen unseren Kunden mit einer offenen und direkten Art, woraus sich Gespräche entwickeln, die uns weiter bringen. Wir sind nie fertig, sondern reflektieren uns ständig, überdenken, wo wir heute stehen und versuchen, es morgen noch besser zu machen. Wir selber sind auch nie fertig mit uns und unserem Wissensstand. Es gibt so viel zu erforschen! So waren wir beispielsweise eine der ersten, die Refill-Möglichkeiten angeboten haben, und unsere Kunden sind total darauf angesprungen.
F: Gibt es neue Materialien, mit denen ihr gerne arbeiten würdet?
H&JOA: Wir arbeiten an neuen Produkten und Produktsegmenten, die wir auch in unserer Fabrik produzieren werden. Das neueste ist die Soap-Bar-Produktion, zudem bietet Fermentation ganz neue Möglichkeiten für unsere Produkte.
F: Mittlerweile produziert ihr nicht nur Seifen, sondern neben Textilien beispielsweise auch ein Gleitgel. Wie kam es dazu?
H&JOA: Eine Seife allein macht noch kein Sortiment, und deshalb haben wir einiges an Pflegeprodukten in unserer Linie. Mit unseren Nachbarn des PornyDays Festival haben wir über Naturpflege gesprochen. Das Resultat war ein silikonfreies Gleitgel. Künftig fokussieren wir auf das, was wir selbst in unserer Fabrik produzieren können.
F: Natürliche Parfums existieren aufgrund der problematischen Haltbarkeit wenig. Wie schafft ihr es, eure Produkt entsprechend zu parfümieren?
H&JOA: Es stimmt, dass natürliche Extrakte nicht gleich lange haften bleiben wie synthetische. Sie sind nicht genauso aggressiv in ihren Duftnoten, dafür aber vielfältiger und reicher. Dass die Hände nicht stundenlang nach dem Duftstoff riechen, wenn man unsere Seife nutzt, empfinden wir eher als Vorteil.
F: Ihr arbeitet immer wieder mit neuen Brands und Unternehmen zusammen. Welche dieser so entstandenen Seifen hat sich bisher am besten verkauft, und wen wünscht ihr euch unbedingt als Kooperationspartner?
H&JOA: Wir haben viele gute Collabs gemacht, aber meistens in sehr limitierten Editionen. Da kann man schwer messen, welche sich am besten verkauft hat. Alle waren schnell ausverkauft. Uns freut natürlich, dass wir mit gewissen Freunden schon in die zweite Runde gegangen sind, wie bei Club Zukunft und Schoenstaub zum Beispiel. Wir befinden uns nun allerdings verstärkt auf dem Weg ins Ausland und haben hier ein paar tolle Collabs in der Pipeline, zum Beispiel mit dem klassischen Warenhaus Bergdorf Goodman in New York.
F: Was sind eure wichtigsten Werte?
H&JOA: Ehrlichkeit: Wir wollen transparent und direkt im Austausch im Team und mit unserer Umwelt stehen. Freundschaft: Jeder ist wichtig und hat ein Recht auf seinen Platz. Es macht mehr Spaß, wenn wir die Dinge gemeinsam angehen können, und dabei müssen uns Respekt und Vertrauen leiten. Rebellion: Wir akzeptieren den Status Quo nicht als endgültigen Zustand. Morgen kann alles anders und sogar besser sein. Weisheit: Wichtig ist zu wissen, was man tut und wofür man steht.
F: Wie seid ihr als Chefs?
H&JOA: Wir sehen uns eher als Coaches denn als Chefs. Wir sind hellhörig und einladend. Es ist uns wichtig, dass die Werte unserer Firma verstanden und gelebt werden. Dabei ist aber jeder in seiner Rolle wichtig. Wir haben ein projektbasiertes Arbeiten, wo sich jeder in der Firma einbringen kann und darf. Das jeder selbst an der Entwicklung teilhaben kann, ist uns wichtig.
F: Ihr seid verheiratet und arbeitet zusammen. Ist diese Nähe mehr Fluch oder Segen?
H&JOA: Das Zusammenarbeiten haben wir gemeinsam und sehr bewusst gewählt. Für uns ist das also ein Segen. Wir ergänzen uns sehr gut und sind in den richtigen Dingen gleich und ungleich. Wir würden nie wieder anders arbeiten wollen als gemeinsam.
F: Worüber streitet ihr euch, und wie findet ihr eine gemeinsame Lösung?
H&JOA: Weil wir die gleiche Vision teilen und dies aus innerer Überzeugung heraus, kommen wir immer zu einer gemeinsame Lösung. Über den genauen Weg zum Ziel sind wir uns nicht immer sofort einig, aber wohin wir gehen, ist uns beiden immer klar.
F: Was ist täglich eure größte Herausforderung?
H&JOA: Die Kinder rechtzeitig ins Bett zu kriegen und da auch wieder heraus.
„Mann sollte nie über den Bedarf hinaus konsumieren.“
F: Veganes Essen gibt es heute in jedem Supermarkt, in der Kosmetikindustrie sind natürliche Produkte und Veganismus aber noch immer nicht flächendeckend angekommen. Woran liegt das?
H&JOA: Gewisse Rohmaterialien sind sehr günstig, oft jedoch nicht vegan. Talg ist beispielsweise ein solches Produkt. Wir verwenden in gewissen Produkten Schweizer Honig, der natürlich nicht vegan ist. Warum wir es dennoch tun, ist der Vorteil, den der Honig der Haut bringt. Die Entwicklung in diesem Bereich geht aber vorwärts, was wir sehr positiv bewerten.
F: Worin liegt das größte Problem, ein Produkt nachhaltig, natürlich und vegan zu machen?
H&JOA: Man ist begrenzt in der Auswahl an Rohmaterialien. Viele technische Rohmaterialien in diesem Bereich sind noch auf syntethischer-, Palmöl- oder Sulfatbasis. Auch sind viele gute natürliche nachhaltige Rohmaterialien sehr teuer. Das heißt natürlich, dass die Endprodukte teuer werden. Dies ist der Grund, weshalb viele Unternehmen dann doch auf herkömmliche Materialien setzen, die günstiger sind.
F: Der Konsumdschungel ist riesig: Wie konsumiert man heute eigentlich richtig?
H&JOA: Man sollte nie über den eigenen Bedarf hinaus konsumieren. Der eigene Bedarf ist dabei sehr persönlich. Zu wissen, was gut ist und was nicht, ist für den Konsumenten aber sehr schwierig zu entziffern. Zum Glück gibt es immer mehr Tools, die die Konsumenten bei der Prüfung von Inhaltsstoffen unterstützen.
F: Welches sind eure liebsten Orte in Zürich?
H&JOA: Wir fühlen uns im Zürcher Kreis 4 sehr zuhause, wo unser erstes Geschäft liegt. Wir glauben zudem fest an die Entwicklung von Altstetten, wo unsere neue Fabrik liegen wird.
F: Was vermisst ihr an Zürich, wenn ihr in Schweden seid, und was fehlt in Zürich, was es in Schweden gibt?
H&JOA: Zürich ist unser Zuhause, und nach Schweden fahren wir in den Urlaub. Beides lieben wir.
F: Was braucht Zürich?
H&JOA: Gelebte urbane Produktion. Wir sind Teil von Made In Zurich, was uns sehr am Herzen liegt. Unser nächster Fabrik-Standort in Altstetten ist ein wichtiger Schritt in die Richtung von mehr Produktion in der Stadt.
F: Was muss jeder tun, um die Welt besser zu machen?
H&JOA: Einfach etwas. Es muss nicht für jeden dasselbe sein, sondern jeder soll für sich seinen Weg finden. Wir sind Vegetarier, aber das ist nicht etwas, was wir jedem empfehlen würden. Es ist aber unser Weg. Woran wir aber fest glauben, ist das Maß von „genug“. Überkonsumation müssen wir vermeiden.
F: Woran scheitert unsere Gesellschaft?
H&JOA: Das echte Verständnis dafür, dass die Ressourcen nicht unendlich sind. Der menschliche Fußabdruck ist noch zu hoch, und wir müssen gemeinsam umdenken. Dabei ist es auch sehr wichtig, dass wir uns gegenseitig sehen und respektieren.
F: Wie wird die Welt in zehn Jahren ausschauen?
H&JOA: Die Natur ist ein begrenztes Gut, und das, was heute selbstverständlich ist, wird es in zehn Jahren nicht mehr sein.
F: Blickt ihr positiv gestimmt in die Zukunft, und wenn ja, weshalb?
H&JOA: Ja, die Forschung macht solche fantastischen Fortschritte, und wenn die neuen Methoden und Materialien eingesetzt werden, kann dies Großes bewirken. Wir glauben fest an das, was wir als Menschen tun können. Das Verständnis dafür, was gemacht werden muss, ist heute schon viel verbreiteter als noch vor zehn Jahren. In weiteren zehn werden wir an einem vollkommen anderen Ort sein als heute.
F: Worüber macht ihr euch gerade am meisten Sorgen?
H&JOA: Dass wir es dann doch nicht schaffen, kurz vor zwölf die Richtung zu ändern, in die unsere Welt gelenkt worden ist. Oder dass die Kinder nicht genug Schlaf bekommen.
F: Worüber habt ihr das letzte Mal herzlich gelacht?
H&JOA: Wir lachen täglich viel, weil wir mit einer tollen Crew zusammenarbeiten, die aus vielen witzigen Menschen besteht. Leider hat der echte Stand-up-Komiker im Team, Moritz Schädler, das Team verlassen, um sich seinem Steckenpferd zu widmen. Seine Auftritte sind tatsächlich zum Totlachen.
F: Wann seid ihr am glücklichsten?
H&JOA: Wenn wir merken, dass wir tatsächlich etwas bewegen konnten. Im Kleinen wie im Großen.
F: Womit bereiten euch eure Kunden die größte Freude?
H&JOA: Ehrlichkeit und Freundlichkeit. Konstruktive Kritik und Lob tun gut, aber nur ersteres bringt einen wirklich weiter. Wenn wir kreative und inspirierende Begegnungen erleben, spüren wir einen Schub, der uns fürs Weitermachen Energie verleiht. Gemeinsam vorwärts ist unser einziger Weg.