Himbeeren auf dem Wickelrock, Lemuren auf der Jeans-Jacke: Pien Stieglitz’ Prints sind alles andere als 0815. Ihre Kollektionen hauen bereits am Bügel so ordentlich auf den Putz, dass Minimalisten Sterne sehen. Dabei geht es der niederländischen Designerin gar nicht darum, modisch Lärm zu machen, sondern mit der Kleidung ihres Labels Stieglitz Welten zusammen zu bringen.
FACES: Du hast dein Label Stieglitz 2014 gegründet. Was waren die Gründe dafür, deine eigene Kollektion zu gestalten?
Pien Stieglitz: Nachdem ich die Schauspielschule verlassen hatte, wollte ich mir ein Jahr Auszeit nehmen, um mir darüber klar zu werden, was ich eigentlich mit meinem Leben anfangen wollte. Das mit der Schauspielerei war nur so eine Spinnerei, die Entscheidung für diesen Beruf kam nicht von Herzen. Ich wusste, dass ich etwas mit Reisen und Kulturen machen wollte. Meine Mutter war Journalistin und hat mich bereits als Kind mit durch die ganze Welt genommen. Dort habe ich viele Stämme und alle möglichen Kulturen kennen gelernt und erkannt, dass die Welt, in der wir leben, so weit davon entfernt liegt. In meinen Designs verbinde ich beide Welten und fange die Schönheit des Lebens ein, die sich in meinen Kollektionen widerspiegelt.
F: Was war in den vergangenen Jahren die grösste Herausforderung?
PS: Das Schwierigste ist, sich auf etwas zu fokussieren. Weil mein Unternehmen so schnell wächst und immer grösser wird, will jeder plötzlich etwas von mir. Das bedeutet, ich muss meine Aufmerksamkeit teilen, was für mich als Chaotin echt schwierig ist. (lacht)
F: Welche dummen Fehler hast du rückblickend begangen, die du heute kein zweites Mal machen würdest?
PS: Definitiv sehr viele! Zu teure Stoffe zu kaufen, zu viel für den Versand zu bezahlen, nicht-waschbare Textilien zu produzieren, ooops! Da gab’s noch viel mehr, schlimm. Man lernt, indem man Fehler macht, so ist das nun mal.
F: Kennst du die Hände, durch die deine Kleidung geht?
PS: Natürlich, das ist sehr wichtig. Wir arbeiten sehr nahe mit zwei kleinen Fabriken zusammen, die beide Familienbetriebe sind. Sie liegen in Griechenland und Polen.
F: Weshalb produzierst du in unterschiedlichen Ländern?
PS: Wir suchen unsere Fabriken nach deren Qualität und Spezialisierung aus, weshalb die Produktion nicht komplett in einem Land oder einer einzelnen Fabrik vonstatten geht.
F: War es schwierig, die richtigen Partner, Fabriken und Produzenten zu finden?
PS: Absolut. Es ist sehr schwer, Fabriken mit hohem Qualitätsstandard zu finden. Viele arbeiten mit billigen Stoffen. Da ich aber meine eigenen Prints entwerfe, war es umso schwieriger, eine gute Fabrik zu finden, die diese auf den Stoff bringt. Aber ich denke, ich habe zum Schluss die richtige gefunden.
F: Wie nachhaltig sind deine Kollektionen?
PS: Wir verwenden qualitativ hochwertige Materialien, die lange halten, und halten dabei stetig nach den besten Stoffen für unsere Produkte Ausschau. Nachhaltig sind auch unsere Designs, die keinem bestimmten Trend folgen, sondern auch zwischen den Kollektionen kombiniert werden. Es ist schön zu sehen, dass unsere Kunden Teile aus alten und neuen Kollektionen in ihre Outfits integrieren.
F: Was bereitet dir an deiner Arbeit am meisten Freude?
PS: Reisen und shooten. Shootings sind mein absoluter Favorit, weil ich dabei die Teile meiner neue Kollektion an den hübschesten Models und an den schönsten Orten der Welt miteinander kombinieren und zu einem Look stylen kann.
F: Du verkaufst deine Kollektionen mit Stieglitz nur online. Weshalb?
PS: Ich mag den Grosshandel nicht und finde, dass einem die digitale Welt mehr Freiheiten gibt. Ich kann sein, wo immer ich will und neue Kollektionen lancieren, wann immer es mir passt.
F: Du verwendest viele Prints in deinen Kollektionen, die du auch noch alle selber entwirfst. Woher nimmst du die Inspiration dafür?
PS: Für jede Kollektion entwerfen wir Drucke, die von speziellen Stämmen oder Ländern inspiriert sind. Für die aktuellen Prints liess ich mich von Madagaskar inspirieren.
F: Verstehst du den Beruf des Designers als Aufgabe, Trends zu kreieren oder Menschen einzukleiden?
PS: Mein Ziel ist, Designs zu entwerfen, durch die sich Frauen ausdrücken können. Meine Kleidung soll sie stark, unabhängig, sexy und abenteuerlustig machen. Es geht mir dabei nicht darum, einen Trend zu starten, aber wenn ich mit meinen Kollektionen einen setzen sollte, ist das natürlich dennoch schön. (lacht)
F: Du sprichst oft von Stämmen, wenn es um deine Kollektionen geht. Was fasziniert dich so daran?
PS: Die Kultur besonderer Stämme hat mich immer beeindruckt. Am meisten fasziniert mich dabei die Stärke des Kollektivs. Mit meinem Label möchte ich deshalb verschiedene Welten zu einer neuen, eigenen Stieglitz-Welt zusammenbringen, in der jeder Stamm von unabhängigen, starken und sexy Frauen repräsentiert wird.
F: Was entgegnest du Menschen, die die Arbeit in der Mode oberflächlich finden?
PS: Ich würde meine Antwort kurz halten: „Wenn du Mode oberflächlich findest, dann hast du keine Ahnung, worum es dabei eigentlich geht.“
F: Was sind die Vor- und Nachteile daran, dein eigener Chef zu sein?
PS: Entscheidungen treffen zu müssen und zu dürfen. Da du alle Entscheidungen triffst, kannst du tun und lassen, was du willst. Dabei bist du allerdings auch für alles verantwortlich. Es ist also ein zweischneidiges Schwert.
F: Wenn du keine Designerin wärst, was würdest du dann tun?
PS: In diesem Fall gäbe es mein Label Stieglitz nicht. Ich würde dann wohl irgendwelche Reisedokus im TV moderieren oder in Südamerika ein Boutique-Hotel führen. Allerdings könnte das alles in der Zukunft ja noch tatsächlich passieren! Sag niemals nie!
F: Erinnerst du dich an den Moment, in dem du auf der Strasse zum ersten Mal jemanden in deiner Kleidung gesehen hast?
PS: Oh ja, daran erinnere ich mich gut! Es hat mich extrem eingeschüchtert!
F: Es gibt so viele unterschiedliche Brands auf dem Markt. Wie gross ist der Druck, ständig Neues zu entwerfen, und wie fühlt sich dieses Konkurrenzverhalten für dich an?
PS: Ehrlich gesagt, empfinde ich meinen Beruf oder dieses Arbeitsfeld nicht als ein so umkämpftes. Deshalb fühle ich mich auch nie unter Druck gesetzt. Das ist cool, oder? Ich würde mir wünschen, dass Designer mehr miteinander arbeiten würden. Wir sind alle Schöpfer! Lasst uns zusammenarbeiten, um umso tollere Teile zu erschaffen!
F: Du teilst dein Privatleben durch Instagram. Denkst du, dass diese App die Menschen eher zusammen bringt oder noch weiter auseinander?
PS: Auf meinem privaten Account ist nicht so viel los. Ich poste nur sehr spezielle Momente – zum Beispiel, als ich mich verlobt habe, oder wenn ich im Urlaub bin. Ich habe gemischte Gefühle, wenn es um Instagram geht. Die App verbindet die Menschen natürlich, aber sie unterstützt und reizt auch Gefühle wie Neid, Konkurrenzdenken und Unsicherheit.
F: Inwiefern verleiht uns Kleidung Selbstbewusstsein?
PS: Wenn du dich über deine Kleidung ausdrücken kannst und dich in ihr gut fühlst. Es schadet natürlich auch nicht, wenn du in einem bestimmten Outfit viele Komplimente bekommst. Aber am allerwichtigsten ist, dass du dich in dem grossartig fühlst, was du trägst.
F: Wo kaufst du selbst ein?
PS: Es klingt vielleicht komisch, aber ich hasse Shopping. (lacht) Ich kaufe meistens online in unterschiedlichen kleinen Shops ein. Und natürlich trage ich mein eigenes Label.
F: Wo entwirfst du deine Kollektionen?
PS: Die besten Ideen kommen mir immer mitten in der Nacht. Wenn ich aufwache, versuche ich alles schnell aufzuschreiben.
F: Was vermisst du an zuhause, wenn du verreist?
PS: Meine Babykatze Lucy, meinen Verlobten und mein Bad.
F: Was unternimmst du an einem normalen Samstag?
PS: Das kommt aufs Wetter und meine Laune an. Meistens unternehme ich irgendwas Gemütliches mit Freunden oder bleibe zuhause.
F: Gibt es einen anderen Wochentag, den du besonders magst?
PS: Ich mag Montage. Ein frischer Start, gute Geschichten vom Wochenende, und ich sehe meine lieben Kollegen wieder.
F: Trägst du Jogging-Hosen?
PS: Viel zu oft! (lacht)
F: Was ist das teuerste Teile in deinem Kleiderschrank?
PS: Meine Boots von Balenciaga oder Yohji Yamamoto.
F: Bist du lieber over- oder underdressed?
PS: Lieber zu sehr gestylt als zu wenig, da bin ich mir sicher!
F: Wie sieht dein Zuhause aus?
PS: Sehr gemütlich. Weil ich so viel und so oft reise, habe ich viele Dinge, die ich im Ausland gekauft habe.
F: Was trinkst du an einem gemütlichen Abend am liebsten?
PS: Ich geniesse ein gutes Glas Chardonnay.
F: Bestellst du im Restaurant lieber Vorspeise oder Dessert?
PS: Die Vorspeise!
F: Was sammelst du?
PS: Auf meinen Reisen halte ich immer nach kleinen Figuren, Skulpturen oder Statuen von Frauen Ausschau.
F: Besitzt du einen Glücksbringer?
PS: Ich trage eine alte indische Münze, die die Nummer zwei zeigt, meine Glückszahl. Ich habe dieses Stück in Pushkar gefunden, einer alten Stadt in Indien.
F: Hast du Vorsätze für dieses Jahr?
PS: Meinem Bauchgefühl mehr zu folgen und weniger das zu tun, was Menschen wollen, dass ich mache, und ich möchte mich mehr fokussieren. Aber vor allem will ich die Welt sehen, lachen und Abenteuer erleben.
F: Wie soll deine Zukunft aussehen?
PS: Abenteuerlich!
Pien Stieglitz’ Tipps für Amsterdam
Die schönsten Orte
Soho House Amsterdam, mit Rooftop-Pool und Blick auf den Kanal
Pastis, ein kleines, richtig tolles französisches Restaurant
Utrechtsestraat, eine sehr romantische Strasse mit vielen süssen Geschäften und Schaufenstern
Der beste Ort für tolle Fotos
Der Kanal, sehr romantisch
Der Norden der Stadt, mehr industriell
Das beste Frühstück
Soho House Amsterdam, hier gibt’s alles von der Açai Bowl bis zum Avocado Toast
Das Restaurant für ein romantisches Dinner
De Klepel, frisch, saisonal und bodenständig
Coba, die beste Adresse für mexikanisches Essen
Ceccon’s, hausgemachte Pasta und Gerichte aus Norditalien
Die Kollektionen von Pien Stieglitz sind online unter www.stieglitz.nl erhältlich.