Corina Bless ist sowas wie die gute Seele bei Paul Mitchell. Als Global Education Manager jettet sie um die Welt, um die Kunde vom Haar zu verbreiten, Friseure zu schulen und Trends aufzuspüren. Normalerweise. Aber auch von Corona lässt sich Corina Bless nicht stoppen – und gründet mal eben ihre eigene Akademie.
FACES: Wie haben Sie es bei Paul Mitchell zum Global Education Manager geschafft?
Corina Bless: Ich habe in Chur als Friseurin angefangen und mich schon am ersten Tag im Salon direkt in die Produkte und die Marke Paul Mitchell mit ihrer einzigartigen Philosophie verliebt. Weil mich die Firma so faszinierte, trat ich dem Schweizer Paul-Mitchell-Artistic-Team bei, kam so bei zahlreichen Trainings auch in Kontakt mit dem internationalen Team und fiel wohl positiv auf. Da es schon immer ein Traum von mir war, im Ausland zu arbeiten, sagte ich sofort zu, als Deutschland mich als Trainerin anfragte. So zog ich in unser Nachbarland und arbeitete schon bald als Freelancerin für Paul Mitchell Deutschland, Russland, Türkei und Tschechien. In dieser Zeit wurde das amerikanische Mutterhaus auf mich aufmerksam und wollte mich als Global Education Managerin haben – natürlich habe ich ja gesagt.
F: Was genau ist Ihre Position bei Paul Mitchell?
CB: Ich unterstütze unsere Vertriebsfirmen in ganz Europa und Asien in verschiedensten Bereichen. Mein Job ist unglaublich vielseitig, und kein Tag gleicht dem anderen. So erstelle ich zum Beispiel Ausbildungs-Konzepte, bin verantwortlich für neue Produkt-Einführungen und mache Aus- und Weiterbildungen für den Außendienst und die Freelancer. Auch Eventmanagement und Social Media gehören zu meinen Aufgaben.
F: In Ihrem Job als Global Education Manager bei Paul Mitchell reisen Sie enorm viel. Welches Produkt nehmen Sie dabei immer mit?
CB: Der Dry Shampoo Foam aus unserer Luxuslinie Awapuhi Wild Ginger. Haarparfum, Trockenshampoo und Stylingprodukt in einem – was will man mehr.
F: Wie haben Sie sich früher Ihren Beruf vorgestellt, und wie ist er tatsächlich?
CB: Schon als Kind habe ich immer davon geträumt, einen Beruf auszuüben, der es mir ermöglicht, kreativ zu sein und um die Welt zu reisen. Dass es der Friseurberuf wird, war schon sehr früh klar, was zahlreiche kahlgeschorene Barbies und Puppen belegen. Früher kannte ich den Beruf der „Global Education Managerin“ nicht, deshalb kann ich diese Frage so nicht beantworten. Aber ich tue heute genau das, was ich mir früher gewünscht habe: Ich kann meine Kreativität jeden Tag auf der ganzen Welt ausleben.
F: Wie groß ist der Druck in Ihrer Branche?
CB: In unserer Branche entsteht Druck dann, wenn wir an unseren alltäglichen Gewohnheiten festhalten und resistent sind gegenüber neuer Inspiration und Veränderung. Unsere Kundinnen und Kunden orientieren sich meistens und immer öfter an dem, was in den sozialen Medien zu sehen ist. Umso wichtiger ist es für uns Friseurinnen und Friseure, immer up-to-date zu sein. Es gibt nichts Schlimmeres als wenn Kunden mehr wissen als du als Fachperson.
F: Wer oder wie ist das perfekte Haar-Modell?
CB: Das hängt sehr stark davon ab, ob es um Farbe, Styling oder Haarschnitt geht. Ich persönlich liebe Modelle mit einer tollen Ausstrahlung, die sich auf der Bühne oder vor der Kamera zuhause fühlen. Das ist oft noch wichtiger als das Haar, mit dem wir arbeiten.
F: Wie abhängig sind Sie von Trends?
CB: Trends sind ein zentrales Thema: So bringt Paul Mitchell Produkte auf den Markt, die die Umsetzung von Haartrends im Salon und zu Hause unterstützen. Nehmen wir zum Beispiel den „beautifully undone Trend“: Mit Invisiblewear hat Paul Mitchell eine ganze Linie kreiert, die Undone-Stylings mit wenigen Handgriffen ermöglicht. Außerdem fragen mich Kundinnen und Friseure ständig nach Trends – es gehört einfach zu meinem Job, mich auf dem Laufenden zu halten.
F: Wie unterscheiden sich die von Ihnen besuchten Länder im Hinblick aufs Haar-Styling?
CB: In südlicheren Ländern wie Italien, Griechenland, Portugal oder Spanien wird sehr viel Wert auf klassische Blow-Dry-Services gelegt. Nordische Länder wie Schweden, Norwegen, Finnland oder Dänemark hingegen bevorzugen schöne, mühelose Undone-Looks. In ost- und zentraleuropäischen Ländern treffe ich auf eine Mischung aus beidem.
F: Während Corona haben Sie L’Atelier gegründet. Erklären Sie uns das Konzept dahinter und den Weg dahin?
CB: Bevor das Virus kam, bin ich im Schnitt drei Mal pro Woche geflogen. Mit dem Lockdown war damit schlagartig Schluss, und wie viele andere befand ich mich plötzlich im Homeoffice. Zu Hause „eingesperrt“ zu sein und dass ich keine Haare mehr machen durfte, war schlimm für mich, denn diese Arbeit ist auch mein Hobby, und mir fehlte der Ausgleich. Um nicht komplett durchzudrehen und mich trotzdem kreativ ausleben zu können, habe ich das Projekt „L’Atelier“ gestartet. Es vereint zahlreiche Aspekte meiner Arbeit in einem Raum: So ist L’Atelier in erster Linie eine Weiterbildungs-Akademie für Friseurinnen und Friseure. Ich teste dort Produkte, gebe Schulungen als Webinare und Livestreams – und hoffentlich bald auch wieder vor Ort – und arbeite an Charity-Projekten. Schließlich ist „Giving back“ ja ein großer Bestandteil der Firmenphilosophie von Paul Mitchell. Und zu guter Letzt ist L’Atelier auch ein exklusiver Friseursalon.
F: Was sind die Herausforderungen dabei, andere Menschen nur online anleiten zu können?
CB: Es braucht auf beiden Seiten mehr Konzentration, und es bleibt wenig Zeit, um zwischendurch auszuruhen. Dadurch fallen Interaktionen mit anderen weg, die auf der Live-Bühne einfach dazugehören. Es ist anstrengender. Oft genügen Licht und Internetverbindung nicht den Anforderungen, was das Arbeiten erschwert. Und der persönliche Kontakt fehlt – es macht halt doch einen Unterschied, ob man den Tag „Face to Face“ zusammen verbringt oder nur online für wenige Stunden miteinander verbunden ist.
F: Was ist der Schlüssel dazu, ein guter Ausbildner zu sein?
CB: Sich selbst nicht so wichtig zu nehmen.
F: Weshalb leben Sie gerade in Chur?
CB: Weil es ganz einfach die schönste Stadt in der Schweiz ist. In Zürich kann ja jeder Weltenbummler wohnen. (lacht)
F: Gibt es so etwas wie einen normalen Arbeitsalltag, und wie sieht dieser aus?
CB: Nein, mein Job ist extrem abwechslungsreich, und so etwas wie Alltag gibt es in meinem Leben zum Glück nicht. Tatsächlich ist jeder Tag ein neuer (Arbeits-)Tag.
F: Können Sie uns die Trends der neuen Saison nennen?
CB: Aktuell sehen wir einerseits natürlich fließende Farben, aber auch das krasse Gegenteil: den Streifen-Look. Bei den Schnitten wird der Mullet (Vokuhila) auf coole Art und Weise wiederbelebt, und der Shag Bob ist voll im Trend. Was das Styling angeht, sind hübsche Undone-Looks nach wie vor aktuell und dazu Locken, Locken, Locken.
F: Gibt es neue Produkte, die Ihnen gerade besonders am Herzen liegen?
CB: Ich bin total hin und weg von der Awapuhi Wild Ginger No Blowout HydroCream. Sie ist die Lösung für Haare, die sich nur schwer lufttrocknen und kontrollieren lassen.
F: Was ist das am meisten unterschätzte Haarprodukt?
CB: Shampoo! Ein gutes Shampoo ist die halbe Miete. Egal, ob man sich jeden Tag die Haare wäscht oder nur einmal die Woche. Man würde ja auch keinen Ferrari mit Schmierseife waschen, oder?
F: Welches Haarprodukt braucht jeder?
CB: Ich bleibe dabei: ein richtig gutes Shampoo. Mein aktueller Favorit ist das Tea Tree Lavender Mint Moisturizing Cowash. Es pflegt und beruhigt mein widerspenstiges Haar sofort und duftet einfach herrlich.
F: Ein für allemal: tägliches Haare waschen, ja oder nein?
CB: Nein, dafür gibt’s ja Trockenshampoo.
F: Welche Frisur funktioniert immer und welche geht nie?
CB: Ein straffer Ponytail oder frisch gewaschenes Haar geht immer. Ein No-Go ist ein Half Bun mit Farbflecken am Ansatz.
F: Der größte Fehler, den man beim Styling umgehen muss?
CB: Zu wenig Geduld und zu starker Luftstrom beim Föhnen (so geht es nicht schneller, sondern eher länger). Dann lieber die Hitze voll aufdrehen, und immer Hitzeschutz benutzen!
F: Womit kämpfen Sie bei Ihrem eigenen Haar?
CB: Luftfeuchtigkeit! Bei meinem singalesischen Haar darf ich nicht schwitzen, sonst sieht meine Frisur schnell aus wie ein aufgeplatztes Sofakissen.
F: Ihr wichtigster Charakterzug?
CB: Ich bin lösungsorientiert.
F: Was vermissen Sie am Reisen?
CB: Einfach alles, vom Cappuccino to go am Lieblingsgate über den Room-Service in Hotels bis hin zu meinen Lieblingsmenschen in den jeweiligen Ländern.
F: Ihr Geheimrezept gegen Nervosität und Lampenfieber?
CB: Nicht darüber nachzudenken.
F: Was ist das Faszinierende an Haaren?
CB: Haare sind das einzige Kleidungsstück, das man nicht ausziehen kann.
F: Wovon lassen Sie sich für einen Look inspirieren?
CB: Von den Haute-Couture-Schauen, aber auch vom Streetstyle in Großstädten wie London, Stockholm, Rom, Kiew, Frankfurt und so vielen mehr. Schon seit ich ein kleines Kind bin, fasziniert mich Mode in all ihren Facetten. Das wiederum hilft mir dabei, die Looks oder Shows zu kreieren.
F: Wann waren Sie das letzte Mal sprachlos?
CB: Als ich kürzlich den Mietvertrag fürs L’Atelier unterschrieben habe: Vor einem Jahr hatte ich noch nicht einmal eine Wohnung und lebte aus dem Koffer. Diese Entscheidung hat mir kurz die Sprache verschlagen, denn Wurzeln zu schlagen, ist normalerweise nicht mein Ding.
F: Haben Sie Rituale?
CB: Ich trinke jeden Morgen nach dem Aufstehen einen Liter Pfefferminztee, egal, in welchem Land ich gerade bin. Ohne funktioniere ich einfach nicht.
F: Welche Aufgaben erledigen Sie nicht so gerne, und für welche schlägt Ihr Herz?
CB: Den Haushalt zu führen, fällt mir immer noch nicht leicht, weil ich so lange praktisch nur in Hotels gelebt habe. Mein Herz schlägt für alles, was mit meiner Arbeit zu tun hat. Und für Schuhe.
F: Welche ist Ihre Superkraft?
CB: Als inoffizielle Nachfolgerin von Indiana Jones besitze ich seine Superkraft, mich in jedes Abenteuer reinzubegeben und auch heil wieder rauszukommen. Ich kann mich an wirklich jede Situation anpassen.
F: Welchen Zweck erfüllen Falten?
CB: Sie zeigen, dass ein Leben gelebt wurde.
F: Was wird besser, je älter Sie werden?
CB: Meine Geduld.