Als die Mauer fällt, steigt die Populärkultur zu einer neuen gesellschaftlichen Relevanz auf. Wind of Change? Eher ein Tsunami! Die Nineties spülen eine Flutwelle von Ohrwürmern, Kult-Movies, TV-Serien und Showstars über die immer stärker globalisierte Medienlandschaft. FACES rollt die Dekade auf – und veröffentlicht in loser Folge ein Lexikon zum Zeitalter von Grunge, Girlgroups, GZSZ und – dem Freundebuch.
Heute reicht ein Insta-Kommentar zum Freundschaftsbekenntnis. In den Neunzigern nehmen Teenies den Stift zur Hand: Freundschaftsbücher sind gewissermassen die analogen Likes der prädigitalen Jugend.
Im Prinzip wirkt das harmlos: Lieblingstier, Lieblingslied, Lieblings-Schulfach… Doch zwischen den Hardcover-Deckeln der Meine-besten-Freunde-Bücher definieren sich Trends und spielen sich implizite Gruppenprozesse ab, welche die Hackordnung auf den Pausenplätzen der Grundschulen prägen. Wer hat es als erstes voll, ohne dass die eigenen Eltern reinschreiben? Wer darf sich ganz vorne verewigen? Denn klar, zuerst sind die engsten Buddys an der Reihe. Und danach in absteigender Reihenfolge die bevorzugte(n) Vertreter(innen) des anderen Geschlechts. Sofern der Mumm ausreicht, ihr/ihm das Büchlein auszuhändigen – im Notfall halt via BFF als Kurier.
Dann beginnt der Nervenkitzel erst. Klebt er/sie ein Foto ein? Verrät er/sie die Telefonnummer oder hinterlässt gar ein kunstvolles Dekor? Das ist sozusagen die Vorstufe zum Willst-du-mit-mir-gehen?-Liebesbriefchen, die unverfänglichen Fragen und die Distanz der Schriftlichkeit gibt den ersten Flirtversuchen eine Unschuld, die sich spätestens nach der ersten Bravo-Lektüre verflüchtigt.