Als die Mauer fällt, steigt die Populärkultur zu einer neuen gesellschaftlichen Relevanz auf. Wind of Change? Eher ein Tsunami! Die Nineties spülen eine Flutwelle von Ohrwürmern, Kult-Movies, TV-Serien und Showstars über die immer stärker globalisierte Medienlandschaft. FACES rollt die Dekade auf – und veröffentlicht in loser Folge ein Lexikon zum Zeitalter von Grunge, Girlgroups, GZSZ und – Fussball in den USA.
Super Bowl, Base- und Basketball, Eishockey – da jubelt die USA vor dem TV, oder in ausverkauften Stadien. König Fussball hingegen behandelt Uncle Sam stiefmüttlich. Ausnahme: Der World Cup 1994.
Sagenhafte 3.5 Millionen sehen 52 Matches von den Rängen aus. Augenzeugen von Dramen, die Stoff für einen ganzen Kinosommer hergeben würden. Auf den Plätzen der eigens hergerichteten Arenen stehen zweibeinige Volksheiligtümer, Kameruns Eckfähnchen-Tänzer Roger Milla (damals 42) ballert sich zum ältesten WM-Torschützen ever, Borussen-Bomber Stéphane Chapuisat wirbelt die Rumänen schwindlig, Ziegenbart Alexi Lalas sorgt für Rock’n’Roll in den Reihen der Einheimischen. Andrés Escobar lässt (wahrscheinlich) die kolumbianische Wettmafia nach einem Eigentor ermorden. Wuschelkopf Carlos Valderama hingegen bauen sie in seiner Geburtsstadt Santa Marta tatsächlich ein Denkmal. Guacho Diego Maradona anderseits stürzt tragisch vom Podest: Dopingskandal, Koks natürlich.
Allein der Final: Für Italien hängt der Pokal an einem seidenen Faden, pardon, einem dunkelbraunen „Codino“. Jenem Haarschwänzchen im Nacken von Azzurri-Topstürmer Roberto Baggio, der gegen Brasilien den entscheidenden Penalty in den Himmel über Pasadena wuchtet statt ins Netz. Und Brasilien tanzt Samba!Ungewohnte Emotionsausbrüche erlebt die Schweiz, die erstmals seit 1966 an einer WM mittun darf und den Achtelfinal erreicht. Nur eine Runde weniger weit als Deutschland, dessen Traum von der Titelverteidigung zerschellt im Viertelfinale am bulgarischen Abwehrblock.
Danach generieren auch die Matches der 1994 eigens für den Zuschlag zur WM gegründeten Major League Soccer. Eine Saison. In der Folge nimmt Interesse an der nationalen US-Meisterschaft radikal ab. 26 Jahre später taugt sie als Park- und Spielplatz für gescheiterte Paradiesvögel und Altstars ohne Bock auf Frühpension. Immerhin.