Als die Mauer fällt, steigt die Populärkultur zu einer neuen gesellschaftlichen Relevanz auf. Wind of Change? Eher ein Tsunami! Die Nineties spülen eine Flutwelle von Ohrwürmern, Kult-Movies, TV-Serien und Showstars über die immer stärker globalisierte Medienlandschaft. FACES rollt die Dekade auf – und veröffentlicht in loser Folge ein Lexikon zum Zeitalter von Grunge, Girlgroups, GZSZ und – den Teenage Mutant Hero Turtles.
Allein die Ausgangslage ist derart von Sinnen, dass Peter Laird und Kevin Eastman wohl in Zwangsjacken gesteckt worden wären – hätten sie damit nicht eine Sternstunde der Cartoon-Geschichte verantwortet.
Okay: Eine Ratte zieht in der Kanalisation vier chemisch verstrahlte Schildkrötenjungs auf und benennt sie nach italienischen Künstlern. Logisch also, futtern sie Pizza. Sie können aber auch Karate, Skaten und Sprüche klopfen wie Weltmeister. So weit, so gut. Nun sollen sie New York von einer Armee von Gesindel befreien, der ein sprechendes Menschenhirn genauso angehört wie ein Warzenschwein mit Maschinenpistole. Ja. Ungefähr so. Was haben sich die Autoren bloss reingezogen, bitteschön?!
1987 geht die erste TV-Adaption der Trickfilm-Abenteuer aus der Feder des Steampunks Peter Laird und Comic-Nerd Kevin Eastman on air. Nach harzigem Start avancieren die Reptilien zum samstagmorgendlichen Pflichttermin für Fans von Sacramento über Berlin bis Tokyo (und die Titelmelodie treibt reihenweise Eltern zur Weissglut). Merchandise in allen Farben und Formen flutet den Markt, Bettwäsche, Actionfiguren, Geschirrsets… Die Ausschlachtung des Hypes um die Mutanten gipfelt 1990 in einem fast peinlich putzigen Kinofilm. Dass dieser weltweit über 200 Millionen Dollar einspielt, erscheint heute ähnlich absurd wie – nun eben, wie vier nach italienischen Künstlern benannte Ninja-Schildkröten im Gully von NYC.