Wer schön sein will, muss: Mit Anfang zwanzig Botox in jede imaginäre Falte spritzen, jedes einzelne Körperhaar entfernen, möglichst dünn sein – oder sind Kurven gerade wieder in? Egal, am Schluss wird sowieso alles nachbearbeitet und mit Filtern zum Einheitsbrei der vermeintlichen Perfektion verformt. Um den heutigen Beautystandards zu entsprechen, scheint kein Effort genug zu sein. Ellen Atlanta erforscht in ihrem Buch Pixel Flesh, wie toxische Schönheitsideale mit der digitalen Welt kollidieren – und so für Frauen und Mädchen eine Hölle der Eitelkeit schaffen. Im Interview erzählt sie uns, warum sie Beauty trotz allem noch immer liebt, wie wir einen gesunden Umgang damit finden und warum wir öfter offline echte Körper anschauen sollten.
FACES: Du hast viele Jahre in der Beauty-Industrie gearbeitet, unter anderem als Beautyredakteurin. Wann wurdest du dir der toxischen Seite daran bewusst?
Ellen Atlanta: Als ich in meinen Teenagerjahren und frühen Zwanzigern in Beautysalons gearbeitet habe, ging es stets darum, Frauen zusammenzubringen und eine Community zu schaffen – Schönheit fungierte als Mittel zum Zweck und war nicht das A und O. Vielmehr stand Kreativität im Mittelpunkt: Man machte zum Beispiel auf jeden Fingernagel ein anderes Mitglied einer Boyband. Größe, Gewicht oder Aussehen waren keine Einschränkungen – alle können sich die Nägel machen lassen. Ich hatte ursprünglich auch nicht geplant, in der Beauty-Industrie zu arbeiten, doch die Jahre vergingen und plötzlich landete ich in einer Beauty-Tech-Firma. Auch das fing eigentlich ganz harmlos an: Wir verkauften Treatments via Fotos. Man konnte Nägel, Party-Make-up, Zöpfe oder sonstige Hairstyles buchen. Doch Mitte der 2010er-Jahre machte die Schönheitsindustrie einen rasanten und bedenklichen Wandel durch.
F: Inwiefern?
EA: Plötzlich hatten wir Kosmetikerinnen und somit Lippen, Nasen und Wangen auf der Plattform – man konnte sich nun quasi ein neues Gesicht bestellen. Diese Lippen oder jene Nase konnte man dank Filler einfach kaufen. Etwa zur gleichen Zeit bemerkte ich, dass sich die Frauen in meinem Umfeld trotz der Body-Positivity-Bewegung online in echt immer schlechter fühlten – so schlecht wie nie. Und wir konnten nicht darüber sprechen, weil wir online alle unsere glitzernden Zitate über Empowerment posteten. Ich arbeitete mit unglaublich starken und feministischen Frauen zusammen, die alle noch immer dieselben Gespräche darüber führten, was wir essen dürfen und was nicht und wie wir an bestimmten Veranstaltungen aussehen sollten. Dann verließ ich die Schönheitsindustrie, arbeitete für gemeinnützige Organisationen und Plattformen zur Unterstützung von Frauen und Mädchen im Internet und versuchte, Räume zu schaffen, die sich sicherer und feministischer anfühlen.
F: In der Einleitung von „Pixel Flesh“ beschreibst du einen Moment, in dem du mit Freundinnen draußen bist und realisiert, dass du mehr Körper online als in echt siehst. War das der Startschuss fürs Buch?
EA: Genau, das war während der Pandemie. Hier in England durfte man sich in einer Bubble mit einem Haushalt zusammenschließen, und ich wählte meine Freundinnen. Als es einmal richtig heiß war, waren wir draußen am Sonnenbaden. Im Lockdown nahmen wir es alle etwas weniger ernst mit unserer Beautyroutine, man hat sich weniger rasiert, weniger geschminkt, vielleicht ein bisschen zugenommen. Ich schaute mir meine Freundinnen beim Sonnenbaden an und fand sie alle wunderschön – und mir wurde klar, dass ich desensibilisiert war, was das Aussehen von Frauen im wirklichen Leben angeht. Wie wir immer ausgesehen haben, wie wir in unserem natürlichen Zustand aussehen sollten. Ob das nun Bauchröllchen sind, Dehnungsstreifen, Narben, Körperbehaarung. Und dieses Bild hat sich in meinem Kopf wie ein Renaissance-Gemälde festgesetzt. So kam es auch zum Titel vom Buch: Ich hatte schon eine Weile keine echten Körper mehr gesehen, sondern nur Pixel. Als nach Covid alles wieder fast beim Alten war und wir uns wieder unserer Arbeit in der Beauty-Industrie widmeten, musste ich mich mit meinen Gefühlen arrangieren. Es fühlte sich fast an wie Verrat. Es wurde schon viel über Schönheitsnormen geschrieben, aber niemand hatte sich wirklich damit beschäftigt, was es bedeutet, wenn diese mit der digitalen Welt kollidieren. Es ließ mich nicht mehr los und ich wollte sofort darüber schreiben.
„Mir wurde klar, dass ich desensibilisiert war, was das Aussehen von Frauen im wirklichen Leben angeht“
F: Das Buch rechnet mit einer Industrie ab, von der du lange ebenfalls Teil warst. Was hat dir vor der Erscheinung am meisten Sorgen bereitet?
EA: Ein ziemlich großer Teil des Buches sind Memoiren – meine eigenen, aber auch die von fast hundert anderen Frauen, die ihre Geschichte mit mir geteilt haben. Ich habe mich vor allem ihnen gegenüber verantwortlich gefühlt. Ich wollte sicherstellen, dass ich so viele verschiedene Geschichten und Gefühle wie möglich repräsentiere. Es wird zwar alles von Statistiken gestützt, aber ich wollte kein datenlastiges Buch schreiben, sondern eines, das die Leute nicht ignorieren können, weil es sagt: „Seht her, das ist es, was Frauen durchmachen“. Frauen, die sich damit identifizieren können, sollten sich gesehen und verstanden fühlen. Ihr Verhalten ist nicht irrational, sie sind weder verrückt noch irgendwie defekt. Ich wollte unbedingt, dass mir das gelingt.
F: Nun ist „Pixel Flesh“ seit einigen Monaten draußen in der Welt und in den Händen der LeserInnen. Wie war die Resonanz bisher?
EA: Ich weiß, das sollte man nicht tun, aber ich lese ganz oft meine Bewertungen auf der Website Goodreads. Sie sind teils so bewegend. Da schreiben mir 17-jährige Mädchen ganze Essays, in denen sie erzählen, wie viel ihnen das Buch bedeutet. Auf der anderen Seite finden viele Leute das Buch provokativ. Einige finden es gar schwierig zu lesen. Das Interessante daran ist, dass die Leute mit unterschiedlichen Kapiteln zu kämpfen haben. Das ist abhängig von persönlichen Erfahrungen und Gefühlen. Die Tatsache, dass das Buch konfrontierend ist, signalisiert wiederum, dass wir erst am Anfang einer riesigen Diskussion stehen. Es eignet sich darum auch als Gesprächsgrundlage – ob es nun darum geht, das eigene Privileg zu erkennen oder sich mit vergangenen Erfahrungen auseinanderzusetzen.
F: Wie hat sich im Verlauf der Recherche und des Schreibprozesses dein Verhältnis zu Beauty geändert? Gibt es Dinge, die du jetzt anders machst?
EA: Ein Buch schreibt man ja alleine, meist zuhause im Pyjama, in meinem Fall. Man ist nicht wirklich sichtbar. Als ich fertig war, hieß es dann quasi: „Ok, cool, jetzt werd bitte ein glänzender Instagram-Star, damit wir auch ein paar Exemplare verkaufen“. Und ich merkte, dass ich das eigentlich gar nicht will. Ich hatte damit zu kämpfen, auf eine Art und Weise sichtbar zu sein, die der Botschaft des Buches dient. Ich weiß, dass es einen direkten Zusammenhang gibt zwischen meinem Aussehen und der Art, wie ich spreche, und der Anzahl der Medienauftritte, zu denen man mich einlädt. Ob ich zu Podcasts eingeladen werde – die alle Videoelemente enthalten – oder wie viele Fotoshootings man mit mir machen will. Diese Erkenntnis war ziemlich erschütternd.
„Ich wollte unbedingt, dass im Buch deutlich wird, dass ich Beauty noch immer liebe und schon immer geliebt habe.“
F: Wie bist du schließlich damit klargekommen und was rätst du anderen jungen Frauen?
EA: Ich habe gemerkt, dass jede so ein Ding hat, womit sie kämpft. Man muss herausfinden, was es ist und es konfrontieren. Für mich sind es Make-up, Nägel und Essen. Nun trage ich weniger Make-up, die meisten Tage der Woche gar keins und ich erlaube mir, mehr zu essen – das klingt albern und trivial. Aber genau dazu ermutige ich in meinem Buch: eine Sache weniger zu tun. Und es ist so viel einfacher zu schreiben, wenn die Nägel nicht lang sind. Vor ein paar Monaten noch hätte ich mir vor diesem Interview bestimmt Nägel angeklebt. Auch das klingt verrückt, aber genau so war es. Als ich einmal bei meiner Charity-Arbeit, wo ich mit jungen Mädchen Workshops mache, vorschlug, dass wir nächstes Mal ein Magazin oder Collagen machen könnten, drehten sich alle um und sagten: „Können wir uns so schminken wie du?“ und ich dachte: „Oh mein Gott, ich bin das Problem“. Man muss diesen jungen Frauen und Mädchen zeigen, wie wichtig es ist, dass sie auftauchen können, wie sie wollen, geschminkt oder ungeschminkt, in Jogginghosen oder in enger Kleidung – sie haben immer denselben Respekt verdient.
F: Als Kind verwendeten wir Make-up und Nagellack spielerisch. Ist es möglich, wieder diesen kreativen Spaß an Beauty zu haben, ganz ohne Druck von aktuellen Trends?
EA: Ich wollte unbedingt, dass im Buch deutlich wird, dass ich Beauty noch immer liebe und schon immer geliebt habe. Als Kind ließ mich meine Mutter wahllos Teile meiner Haare rosa färben. Manchmal waren es nur meine Ponyfransen – wahrscheinlich sah das verrückt aus, aber als ich sieben war, war es das Coolste überhaupt. Es gibt diese magischen Momente, wenn man sich zum Beispiel mit seinen Freundinnen fertig macht oder sich zum ersten Mal die Haare färbt – das sind so schöne und wichtige Momente der Beauty-Kultur. Für mich geht es darum, einen Weg zurück zu finden. Beautystandards sind heute so homogen. Alle fangen an, gleich auszusehen, und das ist nicht das, was wir ursprünglich wollten. Schönheit als Kultur bedeutete früher, mit anderen verbunden zu sein und sich selbst zu verwirklichen. Ich glaube zu 100 Prozent, dass es Wege gibt, dahin zurückzukehren.
F: Hast du ein Beispiel, wie diese Rückbesinnung gelingen kann?
EA: Früher ging es mir beim Make-up immer darum, alles zu kaschieren. Die dunklen Ringe unter den Augen, alles, was ich irgendwie als Makel wahrgenommen hatte. Es ging weniger um Farbe, Glitzer und Spielerei. Eine hilfreiche Übung ist folgende: Mach eine Liste mit allem, was du als Kind mochtest, bevor dir ein Algorithmus vorschrieb, was du mögen musst. Man hatte als Kind diese Obsessionen. Ich liebte zum Beispiel Glitzer, mich wie eine Fee zu verkleiden, aber auch klobige Doc Martens zu tragen – und alte Tamagotchis auf Ebay zu kaufen. Das ist die reinste Version meiner selbst. Dahin muss man zurückfinden – zu dem, was sich für dich gut anfühlt, nicht, was gerade auf TikTok angesagt ist. Mein Haar ist bis heute immer irgendeine Version von Rosa oder Lila – weil ich Pink schon immer geliebt habe.
F: Du hast es in der Einleitung angesprochen: Man muss Körper in echt sehen. Liegt die Lösung offline?
EA: Auf jeden Fall. So viel der Arbeit muss offline geschehen. Dort haben wir Kontrolle und einen Sinn für Realität. Ich habe für das Buch mit einer Therapeutin für Essstörungen gesprochen. Sie rät ihren PatientInnen unter anderem, auf dem Weg zur Arbeit die Leute zu beobachten. Schau dir zum Beispiel jede dritte Person an und wie sie sich präsentiert, wie ihr Körper aussieht, anstatt dich nur mit dem zu vergleichen, was du online siehst. Was mein Körpergefühl enorm verändert hat, war, dass ich nicht mehr in diese schicken Pilateskurse ging, wo alle ziemlich gleich aussahen, sondern zum Freizeitzentrum bei mir um die Ecke. Dort besuche ich Tanz- und Fitnesskurse mit Frauen jeden Alters. Eine feierte kürzlich ihren 96. Geburtstag. Außerdem hat es eine Frau mit drei Kindern, die fitter ist als ich es je sein könnte. Die Art und Weise, wie wir die Übungen ausführen, sieht für jede anders aus, aber alle tun ihr Bestes. Es ist so befreiend, die Vielfalt zu sehen. Man lernt, wie Frauenkörper sind und wie sie sein sollten. Solche Räume müssen wir aktiv kultivieren, so wie wir unseren Feed online kuratieren. Wir sprechen nicht oft darüber, wie viel Einfluss wir auf die Menschen in unserem Leben haben – beste Freundinnen, Mutter, Schwestern, Nichten, die Frauen um uns herum. Wir müssen ausatmen, unseren Körper sein lassen und nicht ständig negativ über ihn sprechen. Wenn man das für die anderen Frauen um einen herum tut, entsteht ein Dominoeffekt.
„Viele Frauen haben mir gesagt, dass das Buch Dinge und Gefühle erklärt, die sie bisher nicht in Worte fassen oder entschlüsseln konnten.“
F: Gibt es Personen oder Organisationen, die genau das vorleben und die dir als Vorbild dienen?
EA: Tatsächlich habe ich manchmal Mühe mit der Arbeit, die geleistet wird. Wenn man nämlich diese Probleme anspricht – die toxischen Beautytrends, die auf Social Media die Runden machen – dann lernt man diese Trends manchmal erst durch die Personen kennen, die versuchen, diese zu bekämpfen. Es ist ein Teufelskreis. Ich hätte nie von [hier verrückten Schönheitstrend einfügen] gehört, wenn ich nicht dieser Person zugehört hätte, die davon spricht. Und jetzt kann ich nicht aufhören, daran zu denken. Wir müssen vorsichtig damit sein, wie wir die Aufmerksamkeit auf unseren Körper lenken und wie wir über diese Dinge sprechen. Ich nehme mich da nicht aus – mir ist das ganz zu Beginn auch passiert. Am Anfang habe ich ein Interview gegeben, in dem ich über bestimmte Körpertrends gesprochen habe, und die Journalistin sagte danach: „Ich wusste nicht, dass es so etwas gibt, und ich habe gemerkt, dass ich es habe und nun denke ich die ganze Zeit daran“ – und das war nicht meine Absicht. Es gibt Stellen im Buch, an denen ich sage, wenn du nicht weißt, was dieser Begriff oder dieser Trend ist – nicht googeln, ignorance is bliss! Ich habe es herausgefunden, damit du es nicht tun musst. Ich versuche mittlerweile, diese spezifischen Dinge nicht zu benennen. Lieber fokussieren wir darauf, was wir sehen wollen und folgen den Leuten, die das für uns repräsentieren.
F: Es gibt natürlich auch unrealistische Beautystandards für Männer. Trotzdem sind hauptsächlich Frauen von toxischer Schönheitskultur betroffen. Sollten gerade darum auch Männer dein Buch lesen?
EA: In einer Buchbewertung hat kürzlich ein Mädchen geschrieben, dass sie ihren Partner auf das Thema angesprochen hat. Obwohl er eigentlich sehr verständnisvoll sei, habe er gesagt, dass Frauen solche Dinge halt tun, weil sie eitel sind. Dadurch wurde ihr klar, wie nuanciert das Thema wirklich ist. Sie wollte ihrem Partner das Buch in die Hand drücken und sagen: „Lies es, denn es erklärt alles“. Viele Frauen haben mir gesagt, dass das Buch Dinge und Gefühle erklärt, die sie bisher nicht in Worte fassen oder entschlüsseln konnten. Einige hören sich das Audiobuch mit ihrem Partner an und führen nach jedem Kapitel Gespräche, das ist wirklich schön. „Pixel Flesh“ kann ein Weg sein, solche Mauern einzureißen.
F: Wie waren die Reaktionen von Männern, die das Buch tatsächlich gelesen haben?
EA: Die Reaktionen der Männer waren großartig. Ich wurde oft gefragt, warum Männer nicht so oft in dem Buch vorkommen, und ich denke, es ist wichtig, zwischen Patriarchat und Männern zu unterscheiden. Das Patriarchat ist ein System, das wir alle aufrechterhalten – ja, Männer sind ein Teil davon. Vor allem die Männer, die in Machtpositionen sind. Viele Männer sind sich dem Ausmaß der Beautyindustrie und ihrer Auswirkung auf Frauen aber nicht ganz bewusst. Deshalb wollte ich meine Geschichte und die Geschichten anderer erzählen. Einige Väter haben das Buch gelesen und mir gesagt, wie hilfreich es war, um ihre Töchter im Teenageralter zu verstehen. Auch mein Vater hat das Buch gelesen und viel über sein Leben und seine Erfahrungen nachgedacht. Viele Männer, die es gelesen haben, fanden es aufschlussreich und schockierend. Die Thematik kann sich spaltend anfühlen – so, als wären die Männer nicht auf unserer Seite. Umso froher bin ich um die positiven Reaktionen, die ich von Männern erhalten habe. Ich hatte Freunde, die es gelesen haben, Männer, die dieses Buch vorher nie in die Hand genommen hätten. Ich war angenehm überrascht und ich glaube, es gibt auf Seiten der Männer tatsächlich eine Bereitschaft, zu verstehen.
F: Woran arbeitest du jetzt gerade und was hast du in der Zukunft vor?
EA: Basierend auf dem Inhalt von „Pixel Flesh“ berate ich Marketingagenturen und Brands und zeige ihnen, wie wir die Welt für junge Frauen und Mädchen besser machen können: Mit besserer Repräsentation und guten Messages. Die Frauen, die am meisten unter dieser Kultur leiden, sind oft diejenigen, die mittendrin sind und ständig von diesen Bildern umgeben sind. Und ich werde weiterhin über Frauen und Mädchen und das Internet schreiben. Ein zweites Buch ist bereits in Arbeit.
„In gewisser Weise dokumentiere ich das Konzept der Girlhood auf sozialhistorische Weise.“
F: Kannst du uns einen kleinen Hinweis geben, was wir vom nächsten Buch erwarten dürfen?
EA: Ein bisschen etwas darf ich thematisch verraten: Es wird einen Schwerpunkt geben auf die frühen Zweitausender und inwiefern diese wieder relevant sind. In gewisser Weise dokumentiere ich das Konzept der Girlhood auf sozialhistorische Weise. Meine Aufgabe ist es, die Geschichten von Frauen und Mädchen weiterzuerzählen, so wie es „Pixel Flesh“ hoffentlich getan hat – und damit ein Gefühl von Schwesternschaft zu schaffen, in der Mädchen sich sicher und gehört und verstanden fühlen. Das möchte ich auch weiterhin tun.
F: Hast du einen Lieblingsmoment, den du mit dem Release von „Pixel Flesh“ verbindest?
EA: Es gibt dieses gelbe Shirt, das man auf Social Media ganz oft sieht. Auf dem steht: „Written and directed by Quentin Tarantino“. Eines der Mädchen, das ich für das Buch interviewte, sagte mir, dass sie eines möchte, auf dem steht: „Written by Ellen Atlanta“, weil sie nicht von einem Mann geschrieben werden möchte, sondern von einer feministischen Autorin. Ich habe also mehrheitlich aus Spaß solche T-Shirts für die Launchparty des Buches gemacht. Mittlerweile habe ich sie aber dreimal nachdrucken lassen. Und wenn ganz viele Mädchen das Shirt tragen, dann ist es wirklich so, dass die Geschichten im Buch eben die aller Mädchen sind. Das ist für mich bezeichnend für das, was ich mit meiner Karriere erreichen möchte. Ich war so stolz darauf, dass sich die Frauen durch die Erzählungen im Buch so repräsentiert fühlten. Das ist es, was ich weiterhin tun möchte: über Frauen so zu schreiben, dass es ihren Erfahrungen so nahe wie möglich kommt.
F: Zu guter Letzt müssen wir dir die Frage stellen, die du am Ende jeden Kapitels jemand anderem gestellt hast: Wie können wir eine schönere Welt für Frauen und Mädchen schaffen?
EA: Oh, das ist die Frage, die ich unfairerweise jeder Person im Buch gestellt habe. Am Ende des Buches habe ich versucht, konkrete Lösungen zu finden, anstatt einfach zu sagen „Das Patriarchat ist schlecht!“. Das Thema ist so riesig, dass niemand so recht weiß, wo man anfangen soll. Ich habe ein paar Antworten: Raus in die Welt gehen und in deiner eigenen Community sein. Ich habe es sogar auf einem Sticker: Nurture yourself in every dimension – nurture the women around you in every dimension. Anstelle davon, darüber nachzudenken, was in den Augen anderer gut aussieht – worauf wir unsere ganzes Leben lang konditioniert wurden –, müssen wir dieses dreidimensionale Leben für uns selbst kuratieren: Was fühlt sich gut an, was schmeckt gut, was gefällt mir? Wir müssen uns weigern, in ein zweidimensionales Bild gepresst zu werden, das man online teilt, liked, und beurteilt. Das echte Leben ist mehrdimensional. Wichtig ist auch, darauf zu achten, wie wir über uns selbst und die Frauen um uns herum sprechen. Wenn wir andere Frauen begrüßen, kommentieren wir oft zuerst das Äussere: „Oh, deine Haare sind toll, ich mag dein Outfit“. Aber wir sagen selten: „Ich habe dich vermisst“. Immer wieder priorisieren wir das Äußere, das müssen wir ändern.
Pixel Flesh: How Toxic Beauty Culture Harms Women
Filter, die man kaum mehr von der Realität unterscheiden kann, Filler für jede Gesichtspartie und gefühlt jeden Tag ein neuer Beautytrend: Die digitale Welt lässt die ohnehin schon absurden Schönheitsnormen völlig aus dem Ruder laufen. Autorin Ellen Atlanta erkannte das Problem früh, denn sie hat selbst jahrelange Erfahrung in der Beauty-Industrie. In ihrem ersten Buch schlüsselt sie auf, wo die Gefahren für Frauen und Mädchen überall lauern. Und liefert Hoffnung und Lösungen für alle, die mehr in der Realität leben und weniger über all ihre vermeintlichen Schönheitsfehler nachdenken wollen.
Ellen Atlanta, „Pixel Flesh: How Toxic Beauty Culture Harms Women”, Headline Publishing, ca. 20.—, headline.co.uk
Ellen Atlanta
Wenn dir ein neuer Beautytrend auffällt, kannst du sicher sein: Ellen Atlanta hat ihn vor dir erspäht und bereits darüber geschrieben – zum Beispiel bei Elle UK, Dazed oder The Times. Gleichzeitig hat sie einige Jahre Erfahrung als Content Creator und beriet als Brand Consultant Makeup-Riesen wie Estée Lauder oder Milk Makeup. Welches Projekt sie auch immer anpackt, eines bleibt gleich: Sie priorisiert Female Empowerment, rüttelt an patriarchalen Strukturen und schafft einen Zugang zu Beauty, der niemanden ausschließen soll.
Nach diesem Interview sollte deine nächste Lektüre geregelt sein. Kaufen kannst du sie hier.
Hier kommt eine Ladung Beauty – ohne toxische Ideale, sondern einfach, weil wir Freude daran haben.