Woher kommen eigentlich die bunten Muster auf Pullovern und Shirts, nach denen wir uns auf der Strasse den Hals verdrehen? Zum Beispiel aus dem Kopf von Ladina Steinegger. Die Schweizer Designerin hat lange Prints für Givenchy oder Balenciaga entworfen, bevor sie 2016 ihre erste eigene Kollektion präsentierte. Heute lebt Steinegger in Rom und geniesst dort nicht nur die italienische Mode, sondern auch die Liebe.
FACES: Wieso bist du Designerin geworden?
Ladina Steinegger: Das hat sich ganz natürlich ergeben: Mein Background in Kunst, Textil und Mode und meine Leidenschaft fürs Visuelle und Zeitgenössische findet in meinem Beruf als Textil-Designerin die perfekte Ausdrucksform.
F: Welche Ausbildung hast du?
LS: Ich habe den Bachelor in Kunstgeschichte und Filmwissenschaften der Universitäten Bern und Zürich und ausserdem einen Master in Textile and Fashion Design von der NABA (Nuova Accademia di Belle Arti) Milano. Danach habe ich drei Jahre lang im Design Office der berühmten Seidendruckerei Ratti Spa in Como gearbeitet, wo ich Prints für grosse französische Modehäuser wie Givenchy, Balenciaga oder Saint Laurent entwickelt habe und mein Know-how für traditionelles und digitales Printing vertiefen konnte.
F: Wann wusstest du, dass du Mode machen willst?
LS: In Mailand machte ich ein Praktikum in einer berühmten Galerie für zeitgenössische Kunst. Vom Büro aus habe ich direkt in das Design Studio von Gianfranco Ferré gesehen und konnte die Designer beim Entwerfen beobachten. Da wurde mir klar, dass ich lieber im Atelier nebenan arbeiten würde…
F: Was waren bisher die grössten Hürden?
LS: Knochenjobs zu Hungerlöhnen und hierarchische, patriarchalische Arbeitsverhältnisse. Aber ich möchte nichts missen.
F: Wie fordert dich die Modebranche heraus?
LS: Es ist eine echte Herausforderung 2017 etwas zu entwerfen, das nicht schon designt, gesehen und getragen wurde.Meine Designs sollen zukunftsorientiert sein, meine Stoffe innovativ, ich versuche essentielle Teile zu entwerfen, die dank klarer Linien und schlichten Formen einfach zu tragen sind. Keine Dekoration, aber mit viel Aufmerksamkeit aufs Detail. Diese Essenz in Kleider umzuwandeln, ist meine tägliche Herausforderung und Sinn meines Schaffens.
F: Wie verändern die sozialen Medien deine Arbeit?
LS: Social Media sind eine tolle Plattform, um meine neuen Print-Kollektionen zu lancieren und mich mit anderen Designern und Künstlern auszutauschen. Ich poste gerne, wenn ich etwas zu posten habe, bin aber keine fanatische Followerin und kann deshalb tagelang ohne Facebook und Instagram auskommen.
F: Was gefällt dir am besten an deiner Arbeit?
LS: Die Auswahl neuer Stoffe in meiner Druckerei in Como, das Designen neuer Muster, das Aufgeregtsein, wenn die ersten Probedrucke meiner neuen Muster fertig sind – und wenn ich auf der Strasse meine Kreationen getragen sehe.
F: Wer soll deine Kleidung tragen?
LS: Contemporary Modernettes jeglichen Alters.
F: Wie nimmst du die Reputation von Schweizer Designern im Ausland wahr?
LS: Es ist toll, in Rom eine Exotin zu sein. Ich spüre, dass ich einen anderen Hintergrund habe. Meine Designs, meine Farben und Schnitte haben einen nordischeren Touch, das gefällt den Italienerinnen. Zurück in der Schweiz komme ich mir dann wie eine Italienerin vor, sobald mich mein Vater am Flughafen abholt und meint: „Mit diesen Schuhen kannst du in Bern nicht rumlaufen.“ (lacht)
F: Woran muss die Schweizer Modeszene noch feilen?
LS: Ich finde, die Schweiz hat eine tolle Modeszene, das beweist stets die Mode Suisse, eine super professionelle Plattform mit starken Designern.
F: Mit welchen drei Worten beschreibst du dein Label?
LS: Contemporary, colorful, minimalism.
F: Wie viele Leute arbeiten für dich?
LS: Eine Modellistin, eine Schneiderin und ein Inkjet Drucker in Como.
F: Bist du eine gute Chefin?
LS: Ich bin sehr exakt und perfektionistisch veranlagt, weil ich Sternzeichen und Aszendent Jungfrau bin, und stelle hohe Erwartung an meine Mitarbeiter. Das ist
manchmal schwierig, weil wir mittlerweile alle gute Freunde geworden sind.
F: Was fühlst du vor deinen Shows?
LS: Konzentration, Emotion und ganz viel Spass und Freude, meine neuen Prints zeigen zu können.
F: Und was denkst du, bevor du nach einer Show auf den Laufsteg trittst?
LS: Hoffentlich stolpere ich nicht mit meinen Absätzen…
F: Welche Schlagzeile würdest du gerne über dich lesen?
LS: „LS Store Opening in Rome and L.A.“
F: Du lebst aktuell in Rom. Weshalb?
LS: Amore für einen Römer.
F: Wie unterscheiden sich der italienische und der Schweizer Stil?
LS: Italiener sind klassischer und traditioneller, legen mehr Wert auf Qualität, haben den Sinn für Stil bereits in ihrer DNA und kleiden sich toll, aber auch ein wenig monoton. Die Schweizer sind da unkomplizierter, unkonventioneller und dabei schlussendlich mutiger und farbiger.
F: Wer ist stylischer: Römer oder Zürcher?
LS: Ein Duell zwischen Demna Gvasalia (Vêtements) und Alessandro Michele (Gucci)! Beide Städte sind modetechnisch gerade ziemlich in, und es gibt tolle Streetstyles zu sehen.
F: Wann ist Rom am schönsten?
LS: Ich liebe Rom im August, wenn die Stadt sich leert, die Tage endlos scheinen und die Temperaturen Höchstwerte erreichen.
F: Was sind deine Lieblingsplätze in Rom?
LS: Mein Quartier Trastevere, die Bar San Calisto, der Mercato Monteverde und Porta Portese, die Kirche Sant Ivo alla Sapienza, der Palazzo dei Congressi von Adalberto Libera und das ganze EUR-Quartier, das Cinema Trevi, das Forte Prenestino in Centocelle, der Flohmarkt Borghetto Flaminio, ein Spaziergang oder eine Tour mit dem Motorrad auf der Appia Antica und die tolle Aussicht auf die Stadt auf den Hügeln des Gianicolos.
F: Was hat Rom, was Zürich nicht hat?
LS: Endlose Sommer und südländischen Lifestyle.
F: Und womit übertrifft Zürich die italienische Hauptstadt?
LS: Mit Effizienz und Modernität und natürlich den Luxemburgerli von Sprüngli.
F: Was vermisst du in der Ferne?
LS: Die öffentlichen Verkehrsmittel der Schweiz.
F: Was vermisst du in der Heimat?
LS: Alles, außer den ÖV und die Familie. Italien ist trotz Politik und Wirtschaftskrise meine zweite Heimat geworden.
F: Der Soundtrack deines Lebens?
LS: Ohne Musik läuft bei mir nichts! Meine Favoriten: Mikki Blanco, Ladytron, Planningtorock, TRUST, Monster Magnet und viele mehr.
F: Wen willst du noch treffen?
LS: Miuccia Prada, sie ist mein Vorbild.
F: Wurdest du in der richtigen Zeit geboren?
LS: Ich habe nicht viel für die Nostalgie früherer und besserer Zeiten übrig: Life is now.
F: Was macht einen Tag richtig gut?
LS: Jogging am Lungotevere, Caffè Americano und Veneziana in der Bar Checco, danach Arbeiten im Atelier und am Abend ein Glas Wein mit Freunden in der Enoteca Goccetto und eine Caccio e Peppe bei Augustarello.
F: Was motiviert dich?
LS: Wenn ich auf der Straße Frauen sehe, die meine Kleidung tragen.
F: Was ist typisch Ladina?
LS: Lippenstift.
F: Wann warst du am glücklichsten?
LS: An dem Tag, an dem ich meine Koffer für Rom gepackt habe.
F: In welchen Geschäften wirst du schwach?
LS: Bei Opening Ceremony in Los Angeles.
F: Hast du versteckte Talente?
LS: Den Rekord im 100-Meter-Sprint!
F: Wovon träumst du?
LS: Zurzeit arbeite ich an einem eigenen Online-Store. Es wäre aber toll, eines Tages einen richtigen Shop in Rom zu eröffnen.
F: Was würdest du nie wieder tun?
LS: Im Nachhinein ist man immer schlauer.
F: Was rätst du deinem jüngeren Ich?
LS: Zu mehr Selbstbewusstsein und mehr Unbekümmertheit.
F: Sind Künstler bessere Menschen?
LS: Womöglich bessere Liebhaber.
Folgen Sie Ladina Steinegger auf Instagram @ladinasteinegger und online über www.ladinasteinegger.com.