Vollgekotzte Schrebergärten statt Zendaya: Die deutsche Fassung der Erfolgsserie „Euphoria“ macht vieles anders – aber richtig. Weil auch sie so tief eintaucht in die Abgründe des Erwachsenwerdens, bis einem schier die Luft wegbleibt. Mittendrin: Luna Jordan als eine der acht Hauptfiguren. Wir haben uns mit der Schauspielerin über ihr neues Projekt unterhalten. Aber auch darüber, was ihr in der eigenen Jugend über die Runden geholfen hat. Und welche Modeshops in Berlin absoluter Pflichtbesuch sind.

FACES: Was war der Grund für deine letzte Euphorie?
Luna Jordan: Eisbaden ist seit einigen Jahren ein Hobby von mir und es gibt kein besseres Gefühl, als aus eiskaltem Wasser kommen und den Körper so wach und durchblutet zu spüren. Auch der ganze Prozess der mentalen Vorbereitung ist so ein schönes persönliches Ritual, das ich sehr schätze.
F: Dein neues Projekt ist eine deutsche Version der Drama-Serie „Euphoria“. Was ging in dir vor, als du das Original zum ersten Mal gesehen hast?
LJ: „Euphoria“ war in vielerlei Hinsicht bahnbrechend. Die mutigen Erzählweisen, der Look, die Musik, die Kamera, das Schauspiel. Ich weiß noch, wie ich 2020 in Südtirol vor meinem Laptop saß und mir die erste Staffel angesehen habe. Ich war geflasht, auf wie vielen künstlerischen Ebenen diese Serie mitreißt und funktioniert. Besonders bewegte mich die schonungslose Auseinandersetzung mit Themen, die für einige Jugendliche heute Realität sind: Erwachsenwerden, Identität, mentale Gesundheit, Drogen, Schule und der daraus resultierende soziale Druck. „Euphoria“ hat die Filmindustrie weltweit revolutioniert, in the best way possible.
F: Wie stark wird sich die deutsche Fassung davon unterscheiden?
LJ: Unsere deutsche Fassung „Euphorie“ spielt in Gelsenkirchen. Wir haben keine Zendaya und kein 165 Millionen-Dollar-Budget. Unsere Figuren kotzen erst mal von Wodka-O auf Schrebergarten-Partys und träumen davon, einmal Reality-Star bei RTL zu sein. Grundsätzlich behandeln wir aber ähnliche Themen wie Drogen und mentale Gesundheit. Unsere Serie basiert auf dem gleichnamigen israelischen Original, während „Euphoria“ vom US Sender HBO mit Zendaya lediglich ein Remake davonist. Trotzdem vergleichen wir uns ungern. Wir haben neue Figuren, neue Geschichten und einen ganz eigenen Look.
F: Was sind dringende Probleme, mit denen sich Jugendliche heute auseinandersetzen müssen, die von der Gesellschaft aber ignoriert oder heruntergespielt werden?
LJ: Mentale Gesundheit wird nach wie vor noch nicht so richtig ernst genommen im gesellschaftlichen Kontext. Gerade in Zeiten von Social Media prasseln ungeschützte Inhalte, permanenter Leistungsdruck und Vergleiche ununterbrochen auf Jugendliche ein. Viele kämpfen mit Angststörungen, Depressionen oder dem Gefühl, nicht dazuzugehören und finden im Alltag oft keinen sicheren Ort. Meiner Meinung nach ist mentale Gesundheit kein Luxus, sondern die Grundvoraussetzung für eine funktionierende Gesellschaft. Und an der Stelle scheitern leider viele Eltern, LehrerInnen und Verantwortliche, welche Kinder und Jugendliche damit oft allein lassen, anstatt ihnen rechtzeitig Zugang zu Therapie und wirksamer Unterstützung zu ermöglichen.
„Mentale Gesundheit wird nach wie vor noch nicht so richtig ernst genommen im gesellschaftlichen Kontext.“
F: Was ist dein Rat an junge Menschen, die ihren Weg in der Welt noch finden müssen? Was hat dir damals dabei geholfen?
LJ: Habt keine Angst, besonders zu sein. Früher wollte ich immer dazugehören, weil ich nie das „typische“ Mädchen war. Ich hatte spezielle Hobbys wie Fußball und Archäologie,
hatte ADHS und war nie so richtig gut in der Schule. Irgendwann habe ich aufgehört, krampfhaft ein Teil von etwas zu sein und angefangen, mich selbst so zu akzeptieren, für das, was ich bin. Ich habe aufgehört, darüber nachzudenken, was andere Leute von mir denken und habe einfach Dinge gewagt und gemacht. Angstfrei. Ich glaube, das ist so ein bisschen meine Superpower. Und ich glaube, genau diese Furchtlosigkeit hat mir so viele Türen geöffnet in meinem Leben.
F: Was fällt dir einfacher vor der Kamera, modeln oder schauspielern? Oder ist am Ende beides gar nicht so verschieden?
LJ: Schauspielern fällt mir leichter. Wenn ich spiele, kann ich mich so sehr fallen lassen, dass ich alle Kameras und das Team um mich herum komplett vergesse. In diesem Moment bin ich einfach nur noch meine Figur und das, was ich fühle und tue, fühlt sich echt an. Es ist schwer zu beschreiben, aber für mich ist es ein fast rauschähnlicher Zustand. Modeln ist noch eher Neuland für mich. Aber ich mag daran sehr, dass man ganz im Moment ist und jedes Foto wie ein Impuls wirkt. Es ist eine ganz andere Erfahrung als Schauspiel. Aber wenn ich mir die Fotos später anschaue, besitzen sie eine ähnliche Stärke und erzählerische Ausdruckskraft wie im Film.
F: Wer oder was hat deinen persönlichen Kleidungsstil nachhaltig beeinflusst?
LJ: Es gibt niemand konkreten, der meinen Kleidungsstil nachhaltig beeinflusst hat. Ich gehe da sehr nach Bauchgefühl. Mein Stil ist sehr bunt, kindlich, vintage-lastig und impulsiv. Mein Kleiderschrank ähnelt eher einem Fundus von 1900 bis 2025 und ich kleide mich immer so, wie ich mich an dem Tag fühle. Lustigerweise bin ich meinem Stil auch sehr treu geblieben seit meiner Kindheit.
F: Was sollten sich modebewusste Menschen in Berlin auf keinen Fall entgehen lassen?
LJ: Berlin hat für Fashion-LiebhaberInnen unglaublich viel zu bieten. Die Kunst besteht oft darin, Läden zu finden, die noch authentisch sind. Wer auf echte Vintage-Kleidung von den 1920er bis 1970er Jahren steht, sollte unbedingt bei Glencheck, Mimis Textile Antiquitäten oder dem Vintage Flohmarkt im Ballhaus Berlin vorbeischauen.
„Berlin hat für Fashion-LiebhaberInnen unglaublich viel zu bieten.“
F: Inwiefern hat dich Berlin als Mensch geprägt?
LJ: Ich bin in Berlin geboren und aufgewachsen, mein Papa ist ein Ur-Berliner, und die Stadt hat mich durch ihre Vielschichtigkeit stark geprägt. Ich habe hier viele wunderbare Erinnerungen und Erfahrungen gesammelt, aber auch einige schwierige und belastende Momente erlebt. Wenn ich ein Wort finden müsste, um Berlin zu beschreiben, wäre es: Impulsiv. Berlin hat so viele Facetten und wer die Stadt nicht wirklich kennt, kann ganz schön überrollt werden von diesen Kontrasten. Als Kind war ich fast jedes Wochenende mit meinem Papa im Olympiastadion, um Hertha-Spiele zu schauen. Genauso gehörte das Wilmersdorfer Freibad Lochow zu meinem Sommer immer dazu. Schöneberg ist mein Kiez und es gibt keinen anderen Ort in Berlin, an dem ich mich so wohlfühle.
F: Welchen Song, welchen Film und welches Buch verbindest du besonders stark mit deiner Heimatstadt? Warum?
LJ: Ganz klar: Das Peter-Fox-Album „Stadtaffe“ von 2008 ist für mich der nostalgische Soundtrack Berlins und trifft das Lebensgefühl, das mir diese Stadt gibt, ziemlich genau. Der Dokumentarfilm „Prinzessinnenbad“ von Bettina Blümner ist für mich ein absolutes Highlight der Berliner Filmgeschichte und eine echte Liebeserklärung an die Stadt. Als Kind war mein Lieblingsbuch „Emil und die Detektive“, das auf den Straßen Berlins spielt. Dadurch habe ich eine große Leidenschaft für die Werke von Erich Kästner entwickelt
LUNA JORDAN
Luna Jordan hat viel zu sagen. Und als Schauspielerin liest sie es nicht nur aus Drehbüchern ab. Die 23-Jährige setzt sich dafür ein, dass Filmsets zu sicheren Orten für junge Frauen werden. Und dass spannende, tiefgründige Rollen für sie kreiert werden. Dazu geht Luna auch voran: Nach ihrem preisgekrönten Kurzfilm „Furor“ will die deutsch-österreichische Doppelbürgerin als Teilhaberin der Produktionsfirma Sista Productions weibliches Filmschaffen fördern. Für ihr nächstes Projekt steht Luna aber ausschließlich vor der Kamera: Die Serie „Euphorie“ startet am 2. Oktober auf RTL+.
Hier lang für unser Modeeditorial mit Luna Jordan für Longchamp.
Einen Vorgeschmack auf Euphorie kannst du dir hier anschauen.
Fotos: © Christopher Puttins