Kunst, Kommerz, KI – wie navigieren kreative VorreiterInnen durch die Herausforderungen der Gegenwart und Zukunft? Gemeinsam mit Zalando haben wir bei ProponentInnen aus Berlin, Wien und Zürich nachgefragt.
Mit der Zukunft ist es in Zürich bald vorbei. So heißt zumindest jener exzellenter Club, in dem auch die Jungs von Ozelot regelmäßig hinter dem Mischpult stehen und bald seine Tore dicht machen muss. Doch das DJ- und Produzenten-Kollektiv hat die Augen weiterhin fest in die Zukunft gerichtet – jene, in der uns die Technik noch Ungeahntes ermöglicht. Denn Ozelot produziert nicht nur Beats, sondern auch fantastische Visuals, die Realität und Virtualität remixen. Wir wollten von Nadim Elhady und Manuel Fischer wissen, wie sich künstliche Intelligenz und menschliche Kreativität verbinden lassen und welche technische Innovation ihr Leben erleichtert hat.
Faces: Wie kann KI in der Kunst eingesetzt werden, ohne dass die Essenz menschlicher Kreativität verloren geht?
Ozelot: Künstliche Intelligenz sollte unsere Kreativität nicht ersetzen, sondern ergänzen und uns ermöglichen, effizienter unsere kreativen Ziele zu erreichen. Wir sehen KI als ein Werkzeug, das uns beispiellose Möglichkeiten eröffnet und neue Wege für kreative Prozesse bietet – sei es in der Musik oder der visuellen Kommunikation. Durch den Einsatz von KI erhält die individuelle kreative Erzählung noch mehr Gewicht. Obwohl KI mittlerweile hyperrealistische Bilder, akademische Texte und überzeugende Videos erzeugen kann, was tiefgreifende wirtschaftliche Auswirkungen auf die Creator-Landschaft hat, sind wir überzeugt, dass in der Kunst das Handwerk und die menschliche Erzählkraft künftig noch stärker wertgeschätzt und konsumiert werden. Letztendlich lässt sich unser Slogan aus dem Jahr 2019 zitieren: „Work is for Robots, Life is for Humans.“
F: Welcher Grundsatz steht bei euch im Zentrum, wenn ihr analoge und digitale Welten miteinander verbindet?
O: Das „Phygitale“ – die Verschmelzung von physischer und digitaler Welt – eröffnet faszinierende neue Möglichkeiten. Unser Fokus liegt darauf, das physische Erlebnis in den Vordergrund zu stellen und es durch digitale Hilfsmittel zu ergänzen oder zu vervollständigen. Die Technologie entwickelt sich rasant, und wir suchen nach Wegen, sie in realen Szenarien einzusetzen – als Werkzeuge in der visuellen Kommunikation, als Tools für Musikprojekte oder schlicht als Hilfsmittel, um den Alltag in einer oft verwirrenden und herausfordernden Welt zu bewältigen.
F: Welchen realen Ort würdet ihr am liebsten in der Virtual Reality nachbauen, um dort mit eurem Avatar die Ewigkeit zu verbringen?
O: Ewig in einer virtuellen Welt zu leben, klingt für uns eher bedrückend. Dennoch würden wir punktuelle Erlebnisse in der Virtual Reality nachbilden – Momente, die wir auf Abruf erneut erleben könnten. Statt eines klassischen Fotoalbums könnte es VR-Erinnerungen geben, in die man immersiv eintauchen kann. Andererseits scheint das Erinnern selbst allmählich zu einem verlorenen Talent zu werden. Wie viele Telefonnummern kannst du heute noch auswendig? Wo warst du vor drei Wochen am Samstag?
F: Welche technische Innovation hat euer Leben in den vergangenen fünf Jahren am meisten erleichtert?
O: Die Möglichkeit, Videos mithilfe von KI hochzuskalieren und Bildinterpolationen durchzuführen, hat uns enorm viel Zeit bei 3D-Renderings erspart und uns neue spannende Stile eröffnet, die wir in unsere Arbeit integrieren konnten. Auch die Fähigkeit, eigene Large Language Models (LLMs) zu trainieren und für spezifische Anwendungen einzusetzen, ist ein wahrer Game-Changer. Wer weiß, vielleicht ist unser nächster CTO sogar eine AI?
F: Welchem technologischen Hype steht ihr misstrauisch gegenüber?
O: Wir sind skeptisch gegenüber Smart Homes, Neo by 1X-Robotern und Deepfakes. Die Privatsphäre ist eines der letzten wertvollen Güter, das wir Schritt für Schritt verlieren – wenn es nicht ohnehin schon zu spät ist. In diesem Zusammenhang empfehlen wir die TikTok-Seite von @digitalcreatorblue, die auf einfache Weise aufzeigt, wie unbewusst wir uns zunehmend einer Überwachung durch Hardware aussetzen.
F: Wie kann Kunst aus der Flut von Content herausstechen?
O: Leider interessiert sich die Mehrheit der Menschen nicht, ob ein Bild von einer KI oder von einem Menschen erschaffen wurde. Vielleicht ist es an der Zeit, den Fokus wieder mehr auf die Geschichten hinter dem Content, einem Produkt oder einem Song zu legen und sich nicht von der Algorithmen-gesteuerten Masse überwältigen zu lassen. Das ist einfacher gesagt als getan, besonders wenn man sieht, wie ein einfaches Selfie dreimal so viele Likes bekommt wie eine aufwändig produzierte künstlerische Arbeit.
F: Schließen sich Kunst und Kommerz grundsätzlich aus?
O: Nicht unbedingt. Im Idealfall konsumiert die breite Masse hochwertige und inspirierende Kunst. Davon würden alle profitieren – und die talentiertesten KünstlerInnen, die vielleicht keinen Geschäftssinn haben, könnten sich ganz auf das Kreieren konzentrieren und darin aufblühen.
F: Was beflügelt eure Kreativität?
O: Reisen, Memes, leidenschaftliche Diskussionen, alte und neue Musik, Mystik, Freundschaften, Deadlines und starker Kaffee.
F: Was hofft ihr, durch eure Projekte in den Menschen auszulösen?
O: Es macht uns unglaublich glücklich, wenn unsere CGI-Arbeiten einen echten „Wow“-Moment auslösen. Besonders berührend ist es, wenn wir Rückmeldungen erhalten, dass unsere Musik Menschen in schwierigen Lebensphasen geholfen hat. Im Kern möchten wir Werke schaffen, die inspirieren und positive Gefühle wecken – immer gepaart mit einer Prise Futurismus.
F: Welche künstlerische Subkultur oder Persönlichkeit verdient mehr Aufmerksamkeit?
O: Wir glauben, dass jede Person und jede Subkultur, die mit Leidenschaft forscht, gestaltet und konsequent ihren eigenen Weg geht, Aufmerksamkeit und Wertschätzung verdient. Insbesondere auch aus kleineren Ortschaften wie Zürich, welche qualitativ enorm starke Individuen hervorbringt momentan: In der Welt der MusikproduzentInnen oder auch in der visuellen Kommunikation mit neuen Technologien.
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Fashion Editorial „Street Icons“ für Zalando mit Tilt, Laureen Olivia Drexler und Ozelot auf faces.ch.