Den Rucksack auf den Schultern und den Kopf voller Ideen: Luca Hasler und Ricardo Ferreira fehlt für den großen Durchbruch eigentlich nur noch etwas Glück. Die beiden Schweizer stürmen mit der Männermode ihres Labels Luca Ferreira gerade die Herzen hiesiger Modefans.
Fotos: Kevin Tuazon
FACES: Der Name Luca Ferreira kommt von euren eigenen Namen. Was für ein Typ ist Luca Ferreira?
Luca Hasler & Ricardo Ferreira: Unser Markenname besteht aus Luca Haslers Vornamen und Ricardo Ferreiras Nachnamen. Wir sind uns in Sachen Charakter sehr ähnlich, unterscheiden uns jedoch in unserem Stil sehr voneinander. Der eine mag es minimalistischer, der andere ist gerne auffällig unterwegs – das widerspiegelt sich auch in unserer Kollektion.
F: Was sollen die KonsumentInnen über Luca Ferreira wissen?
RF: Wir legen in unseren Kollektionen einen sehr hohen Wert auf Qualität und Details. Die Kreationen von Luca Ferreira stehen stets am Puls der Zeit, ohne dabei Mainstream zu sein. Uns ist es wichtig, dass unsere Kunden unsere Teile voller Freude und ohne jegliche Bedenken tragen können.
Kreativität im Doppelpack
F: Was sind die Vor- und Nachteile daran, zu zweit ein Modelabel zu gründen?
LH: Die Vorteile liegen auf der Hand: Im Brainstorming und im gemeinsamen Gespräch kommen mehr Ideen zusammen. Die Inspirationen sind nicht nur zahlreicher, sondern auch weitläufiger. Gemeinsam blicken wir in die verschiedensten Bereiche jeglicher Themen. Zudem ergänzen wir uns mit unseren Skills und unseren Ideen und haben die Möglichkeit, unsere Arbeiten aufzuteilen. Natürlich gibt es auch ab und an Meinungsverschiedenheiten, die wir aber stets gemeinsam diskutieren und zusammen eine Lösung finden, um eine Entscheidung zu treffen, die für beide stimmt.
F: Wie müssen wir uns eure Zusammenarbeit vorstellen?
LH: Sehr chaotisch, mit vielen Tagen und schlaflosen Nächten, in denen wir lachen und weinen. Wäre es nicht so chaotisch, würden die meisten Kreationen nicht entstehen.
F: Was bewundert ihr am jeweils anderen am meisten?
LH: Ricardo ist in der Kommunikation besonders stark, was ich sehr bewundere. Zudem verfügt er über diese Gelassenheit und Ruhe, die ich nicht habe.
RF: Luca ist sehr zuverlässig und ein guter Vertrauter, der seinen eigenen Stil hegt und pflegt und nie seinen Humor verliert.
Aller Anfang ist schwer
F: Was hättet ihr gerne gewusst, bevor ihr euer Label gegründet habt?
RF: Dass der Einstieg in den Markt so extrem schwierig ist. Wir machen die Erfahrung, dass das Sicherheitsbedürfnis der SchweizerInnen besonders groß ist und die Menschen hier deshalb nicht so offen für Neues sind, sondern lieber auf Vertrautes setzen.
F: Welche Hürde in der Modebranche ist höher als gedacht, und was fällt euch einfacher, als ihr euch das vorgestellt habt?
LH: Es ist enorm schwierig, überhaupt erst die richtigen Kontakte zu Geschäften und Showrooms zu knüpfen, um dort unsere Kollektionen präsentieren zu können. Die Schweiz hat im europäischen Vergleich eine sehr starke Textilvergangenheit – da ist es für uns umso unverständlicher, dass sich nur sehr wenige Unternehmen und Privatpersonen für Schweizer Mode-Start-ups interessieren und die Bereitschaft für Kollaborationen oder Investitionen dementsprechend gering ist. Ich hätte erwartet, dass die Zusammenarbeit mit Produktionsstätten eine größere Hürde für uns darstellen würde. Zum Glück erwiesen sich das Sourcing und die Produktion dann doch einfacher als anfangs gedacht.
F: Was macht ihr am besten im Team, und welche Aufgaben muss jeder für sich erledigen?
RF: Da wir noch ganz am Anfang stehen, werden bei uns alle Arbeitsschritte zusammen ausgeführt und gemeinsam besprochen.
Die Modebranche – und Luca Ferreira mittendrin
F: Wie habt ihr euch das Arbeiten in der Modebranche früher vorgestellt, und wie ist es tatsächlich?
RF: Aufgrund unserer Erfahrungen in der Modebranche wissen wir, worauf es ankommt. Ein eigenes Modeunternehmen zu führen, ist allerdings neu für uns – wir begeben uns damit in eine komplett neue Welt.
F: Wo wünscht ihr euch mehr Unterstützung?
LH: Unterstützung ist vielleicht der falsche Begriff. Wir wünschen uns mehr Offenheit und einen besseren Zugang zur Schweizer Modebranche. Es wäre doch spannend, in der Schweiz eine Vereinigung von Modeschaffenden zu haben, um Synergien zu nutzen und sich gegenseitig austauschen zu können.
F: Welchen Vorteil habt ihr als unabhängiges Label im Vergleich zu großen Häusern wie Gucci oder Prada?
LH: Die Freiheit, nicht von einem Konzern geleitet zu werden, wodurch wir das machen können, worauf wir gerade Lust haben. Dies betrifft die Gestaltung der Kollektion, unsere Entscheidungsfindung oder unser Auftreten gegen außen.
F: Welcher Designer oder welche Designerin ist euer Held bzw. eure Heldin und weshalb?
LH: Held ist ein großes Wort. Ich blicke allerdings voller Bewunderung auf die Arbeit von Mike Amiri. Die Art und Weise, wie er die Kollektionen von Amiri kreiert und anschließend präsentiert, inspiriert mich immer wieder aufs Neue.
Mode ist Arbeit
F: In welchem eurer Kleidungsstücke steckt am meisten Arbeit und weshalb?
RF: Strick ist enorm aufwändig. Es geht dabei nicht nur darum, das richtige Material und die passende Strickart zu finden, sondern diese auch ideal auf das gewünschte Design anzupassen. Darüber hinaus stellt uns auch Leder immer wieder vor neue Herausforderungen. Die visuellen Effekte unserer Lederjacke der vergangenen Winterkollektion 2022 entstehen etwa in Handarbeit. Jede Jacke wird einzeln bearbeitet, und dieses traditionelle Handwerk beherrschen nur wenige Produktionen.
F: Für welches Problem braucht ihr gerade dringend eine Lösung?
LH: Den Markeintritt in die Schweiz zu schaffen und die Chance zu bekommen, unsere Kollektionen in mehreren Stores zu präsentieren.
F: Könnt ihr euch vorstellen, eine eigene Modeboutique zu eröffnen? Wo würdet ihr dies tun und weshalb gerade dort?
RF: Eine eigene Boutique ist eines unserer Zukunftsziele. Wir würden diese gerne in Zürich eröffnen, da die Stadt ein sehr internationales Publikum hat und in Sachen Mode immer up to date ist.
Realität und Vorstellung
F: Worauf achtet ihr, wenn ihr für euch selbst Mode kauft?
LH & RF: Auf den Stil, die Qualität, die Passform und den gesamten Look.
F: Wieviel haben diese wunderbaren Mode-Dokus von entwürfezeichnenden DesignerInnen wie etwa Karl Lagerfeld mit eurem Arbeitsalltag gemein?
LH & RF: Wir erkennen gewisse Arbeitsschritte, die in solchen Dokumentationen dargestellt sind, und können uns ein Stück weit auch mit der Arbeit identifizieren. Allerdings zeichnen wir keine Entwürfe, sondern entwickeln basierend auf den Ideen in unseren Köpfen unsere Schnittmuster, aus denen wiederum ein erstes Sample entsteht.
F: Wo produziert ihr eure Kleidung, und kennt ihr alle Hände, durch die diese geht?
LH: Unsere ProduzentInnen befinden sich in Italien und Portugal. Dort kennen wir alle Menschen, die in die Arbeitsprozesse involviert sind – und ich spreche hier vom Stofflieferanten bis zum Produzenten.
F: Welcher Kontakt aus eurem Netzwerk hilft euch am meisten weiter und wobei?
RF: Je nach Phase, in der wir uns befinden und befanden, waren das immer andere Personen. Besonders zu Beginn der Gründung unseres Labels konnten wir auf die Kontakte zurückgreifen, die sich aus unserem Studium an der Schweizerischen Textilfachschule ergeben haben.
F: Was steht beruflich ganz oben auf eurer Wunschliste? Und was privat?
LH & RF: Beruflich steht der Wunsch ganz oben, von unserem Label leben zu können. Wir wollen jeden Tag unseren Traum leben, der Modebranche unsere Sicht und unsere Kreationen zeigen zu können. Das ist unsere Leidenschaft. Privat ist es uns wichtig, jeden Tag an uns selbst zu arbeiten – sei das mental oder physisch. Wir wollen uns stets auf das bestmögliche Niveau bringen und konstant am Ball bleiben.
Luca Hasler & Ricardo Ferreira
Aus zwei mach eins: Luca Hasler und Ricardo Ferreira haben ihr Handwerk an der Schweizerischen Textilfachschule gelernt und beim gemeinsamen Büffeln beschlossen, zusammen den Mode-Olymp zu erklimmen. Ihr Baby: Luca Ferreira, Mode für Männer, die sich was trauen.
Das neueste von Luca und Ricardo und deren Label Luca Ferreira gibt’s zu sehen auf Instagram sowie auf ihrer Webseite.
Auch Gina Grünwald ist Jungdesignerin. Alles zu ihr und ihrem Label liest du in unserem Interview hier.