Willkommen in der bunten Welt von Julian Zigerli, wo Sportscouture auf Signatureprints trifft. Der Zürcher Designer macht seit vier Jahren mit sorglosen und optimistisch bunten Kreationen sein eigenes Ding. Sein Credo: Mehr Mut zur Mode. FACES traf den bodenständigen Paradiesvogel auf einen seiner geliebten Eiskaffees im Tetrapack in seinem Zürcher Atelier und sprach mit ihm über neue Projekte, Zigerlis Beziehung zu Berlin und weshalb man sich als Schweizer den Erfolg zuerst im Ausland erarbeiten muss.
FACES: Hast du ein Lebensmotto?
Julian Zigerli: Nein, nicht konkret, ich nehme jeden Tag, wie er kommt. Und wenn es mir mal beschissen geht, dann geht es mir nun mal beschissen. Dann gehe ich – sofern die Situation es zulässt – nach Hause und chille. (lacht)
F: Dann bist du gerne dein eigener Chef?
JZ: Auf jeden Fall! Das war einer der Hauptgründe, mich selbständig zu machen. Dass man sich Ziele selber setzen und die Arbeit einteilen kann. Andererseits bringt es natürlich viel mehr Arbeit mit sich.
F: Hast du ein berufliches Vorbild?
JZ: Nein. Ich bin der Ansicht, dass man niemanden als Vorbild haben kann, den man nicht persönlich kennt.
F: Wie hast du deinen Stil gefunden?
JZ: Ich habe meinen Stil sehr früh für mich entdeckt, ohne mich da groß verbiegen zu müssen. Und dann bin ich diesem treu geblieben.
F: Was auch gut ist, deine Kreationen verfügen über großen Wiedererkennungswert.
JZ: Ja, das stimmt. Ich ziehe es durch, auch wenn etwas einmal nicht so gut funktioniert.
F: Wann wusstest du, dass du Designer werden willst?
JZ: Mode hat mich schon immer interessiert. Aber ich wusste es erst sicher, als ich ein Praktikum in der Branche gemacht habe.
F: Wer trägt denn deine Klamotten?
JZ: Ein selbstbewusstes und modeaffines Publikum von 20 bis 60 Jahren. Allerdings müssen sie meine Mode verstehen. Das ist sehr wichtig, wenn man viel Geld für etwas ausgibt.
F: Woher stammen deine Kunden? Die Schweiz ist ja nicht unbedingt als sehr modisches Parkett bekannt.
JZ: Es sind mittlerweile immer mehr Schweizer. Natürlich habe ich viele Freunde, die mich unterstützen und das mögen, was ich mache. Grundsätzlich wird aber der Schweizer Markt immer wichtiger für mich. Ich glaube, man muss die Leute einfach ein bisschen erziehen. (lacht) Aber es braucht sicher auch Zeit, um meine Ästhetik zu verstehen.
F: Wo kann man deine Mode kaufen?
JZ: Im On Y Va, im Gris und bei mir im Temporär in Zürich. Zudem in Japan, Tokyo, Singapur, Melbourne, Los Angeles und Amsterdam. Sehr toll war es, als Galeries Lafayette von Beijing für zwei Saisons bei mir einkaufte.
F: Und wo zeigst du deine Mode?
JZ: Shows habe ich immer in Berlin und seit zwei Saisons in Mailand. Giorgio Armani hat mich eingeladen, meine diesjährige Winterkollektion in Mailand zu präsentieren, was eine Riesenehre für mich war.
F: Und Mailand funktioniert für dich? Das ist ja die verstaubteste Fashion Week von allen!
JZ: Klar bin ich da ein Exot, was mir hoffentlich helfen wird. Ich hoffe, die pushen mich da ein bisschen. Ich habe schon Ideen für kommende Shows, aber ich weiß noch nicht, ob die Mailänder wirklich bereit dafür sind. In Paris und vor allem auch New York passieren viele crazy Dinge, aber in Mailand passiert halt einfach nichts. Berlin hingegen ist für mich immer ein Heimspiel, obwohl businesstechnisch die Fashion Week da noch nie so wichtig war.
F: Wie gehst du mit dem Druck der Branche um?
JZ: Ich trinke einen Eiskaffee aus dem Tetrapack und gebe ein lockeres Interview… (lacht), obwohl meine Kollektion schon fertig sein müsste. Nein im Ernst, ich glaube, das lag mir schon immer. Mir ist nach wie vor der Spaß an der Arbeit das Wichtigste! Und wenn einmal irgendwas nicht klappt – was zum Glück selten vorkommt – geht die Welt nicht unter. Meine Sorglosigkeit ist wohl mein Erfolgsrezept.
F: Deine Entwürfe strahlen diese Sorglosigkeit durch die bunten Farben, die Prints und auch die Schnitte aus. Machst du manchmal Kompromisse für die Masse?
JZ: Ich glaube, das kommt automatisch. Während dem Studium ist das nie Thema, aber sobald du etwas aufziehen willst, geht es darum, Geld zu verdienen, und deshalb ist das fast immer in meinem Kopf. Am Ende des Tages hängen die Kleider in einem Laden und müssen da gut aussehen. Oft schläft mir fast das Gesicht ein, wenn ich sehe, was da sonst noch so alles hängt. Ich passe deshalb eher gewisse Details in der Verarbeitung oder beim Schnitt an, beim Design will ich keine Kompromisse machen.
F: Wen würdest du gerne in deinen Klamotten sehen?
JZ: Diese Frage kommt zurzeit immer wieder (lacht), früher hätte das niemanden interessiert! Die schlichten Strickteile wären für schicke Herren bestimmt super, und die bunten Kreationen wären zum Beispiel perfekt an Rihanna.
F: Hast du ihr schon mal etwas geschickt?
JZ: Nein. Zudem ist für mich klar, dass die farbigen Pieces auf der Bühne funktionieren. Wichtiger finde ich zu zeigen, dass sie auch im Alltag passen. Ich mag es, wenn sie jeder selbst in seinen Kleiderschrank hineinstylt.
F: Und eine Kollektion für uns Mädels?
JZ: Das brauch ich nicht, ich habe genug Mädels, die meine Klamotten tragen! (lacht) Die Girls, die meine Kleider tragen, wollen genau diesen sportlichen Oversized-Look, das finde ich gut. Mehr will ich nicht.
F: Inwiefern hat Berlin deinen Stil geprägt?
JZ: Ich weiß es nicht, da ich als 20-Jähriger mein Studium da begann und mich auch zum ersten Mal in meinem Leben täglich mit Mode auseinandersetzte. Und wenn man mit dem Modestudium beginnt, ist man noch so grün hinter den Ohren, kennt nichts und niemanden, das ist echt lustig. Man muss so viel lernen! Heute kenne ich mich aus mit Designern und Brands. Die Freiheit von Berlin und auch meiner Uni, sowie das Privatleben neben dem Studium, das alles hat meinen Stil sicher sehr geprägt. Damals war noch alles im Umbruch. Heute ist die Stadt so hip geworden, ist nur noch Zwischenstation für viele. Genau wie London. Die Berliner Schnauze ist heute irgend so ein Australier, der einen auf Deutsch anraunzt. Das ist einfach nicht dasselbe! Als ich das letzte Mal in Berlin war, wollte ich wieder einmal auf den Teufelsberg – ein altes Fabrikgelände, wo wir früher oft reingeklettert sind – und da standen im Ernst irgendwelche ausländischen Studenten am Tor, wollten Eintritt und mir eine Führung aufschwatzen! Die haben meinen Teufelsberg geklaut! (lacht)
F: Welche Stadt magst du denn am liebsten?
JZ: Tokyo. Diese Stadt beeindruckt mich extrem. Es ist eine totale Konsumstadt, aber alles ist ästhetisch und schön. Tolle Produkte haben sie da! Ich gehe zwar nicht so viel shoppen, aus zeitlichen und finanziellen Gründen…
F: Du ziehst besser einfach deine eigenen Sachen an!
JZ: Ja, das mach ich auch, aber ab und zu, da ruiniere ich mich, eben zum Beispiel in Tokyo. Oder in London, da geht es mir auch so.
F: Wie siehst du die Schweizer Modeszene?
JZ: Modeszene? Es gibt immer wieder neue Designer, die ich toll finde, aber eine richtige Szene mit Magazin-Partys und so, das fehlt hier. Es gibt eine Business-Modeszene, Designer, Journalisten, aber uns fehlen die coolen hippen Kids, die in anderen Städten zwei Drittel dieser Szene ausmachen.
F: Bleibt Schweizer Mode deshalb ein Nischenprodukt?
JZ: Ich glaube das Hauptproblem ist, dass wir so klein sind und uns gar keine richtige Plattform bieten können. Trotz meines Erfolgs in den letzten Jahren gibt es nur einen Laden, der keine Designer-Plattform ist, der meine Kollektion verkauft. In Tokyo habe ich zum Beispiel drei! Es ist doch absurd, dass ein Schweizer Label im Ausland besser ankommt als hier. Das Problem ist, dass die Läden so mutlos einkaufen. Da fehlt die Unterstützung. Der Endverbraucher bekommt nicht mal die Chance, die Kleider zu sehen!
F: Du gehörst zu einer neuen Generation von Designern, die auch über die Landesgrenzen hinausschaut. Hilft das?
JZ: Ja sehr, seit ich in Mailand gezeigt habe, wollen alle ein Stück vom Kuchen. Ich musste mir den Erfolg sozusagen im Ausland holen. (lacht) Das ist leider typisch schweizerisch! Ein Label aufzubauen braucht unglaublich viel Geld, ich bin nach vier Jahren immer noch am reinstecken. Man muss einen sehr langen Atem haben!
F: Siehst du denn schon ein Licht am Ende des Tunnels?
JZ: Wir haben mittlerweile eine solide Base geschaffen. Zudem habe ich 2014 eine Zusammenarbeit mit Samsung an Land gezogen, und seit Kurzem bin ich Gastdozent beim Masterstudium in Basel, was neben dem regelmäßigen Lohn auch sehr viel Spaß macht! Lustigerweise habe ich vor Jahren mal mehr im Scherz gesagt, dass ich meine hart erkämpften Erfahrungen eines Tages weitergeben sollte – und voilà! Für nächstes Jahr haben wir zudem eine zweite Linie geplant, die günstiger ist und kommerzieller auch besser funktionieren soll. Prints werden schon vorhanden sein, das ist ja mein Markenzeichen, aber dezenter. Wir wollen alles in der Schweiz produzieren, was zurzeit noch ein Knackpunkt ist.
F: Wo siehst du dich in zehn Jahren?
JZ: Ich hoffe, dass wir uns etabliert haben. Dann bin ich 40, oh Gott, wenn es mit 40 nicht läuft, weiß ich auch nicht! (lacht) Ich möchte mir nicht mehr jeden Tag Gedanken machen müssen, wie Geld reinkommt.
F: Was magst du an deinem Job am liebsten?
JZ: Die Vielfältigkeit! Zurzeit ist es krass, kein Tag gleicht dem anderen. Manchmal nervt mich das auch, da ich immer weniger Zeit zum Entwerfen habe.
F: Wie entspannst du?
JZ: Gestern bin ich nach Hause gegangen und habe „The Good Wife“ geschaut. (lacht) Aber eine Folge reicht dann meistens nicht…
F: Was ist das Beste, was dir beruflich passiert ist?
JZ: Das ist zum guten Glück jede Saison wieder etwas Neues! Die Zusammenarbeit mit der großartigen deutschen Künstlerin Katharina Grosse im letzten Jahr war wahnsinnig spannend. Und natürlich meine Show im Armani Teatro in Mailand – das war unglaublich! Ich bin ein echter Glückspilz!
Biografie
Aufgewachsen im zürcherischen Uster zog es Julian Zigerli mit 20 Jahren für das Modedesign-Studium nach Berlin. Nach dem Abschluss blieb er – per Zufall, sein Hab und Gut wartete noch in der deutschen Hauptstadt – in Zürich hängen, wo er heute lebt und arbeitet. 2010 gründete er sein Label Julian Zigerli und ist seit vier Jahren mit seiner unkonventionellen Männermode auf Erfolgskurs. Karriere-Highlights waren die Zusammenarbeit mit Künstlerin Katharina Grosse und die Einladung von Giorgio Armani im Rahmen der Nachwuchsförderung nach Mailand, wo er seine Winterkollektion 2014/2015 präsentieren durfte. Seine farbenfrohen Prints, alle selbst entworfen mit großem Wiedererkennungswert,die sportlichen Schnitte, sowie sein fröhliches Wesen versprühen eine Sorglosigkeit, wie sie in der Branche selten zu finden ist. Klar ist jedoch, dass der heute 30-Jährige längst kein Grünschnabel mehr ist!