Ausgangssperre
April 2021 – Köln – Ausgangssperre – 21 bis 5 Uhr.
Menschen lesen Zeitung. Sie informieren sich über das aktuelle Tagesgeschehen.
Es ist nur natürlich, dass man wissen möchte, was in der Welt, in der man lebt, vor sich geht.
Mir persönlich fehlt dieses Naturell.
Promiflash. Diese App erweitert mein Klatschwissen.
Selbstverständlich bekomme ich die wichtigen Dinge mit. Die Sache mit Corona zum Beispiel. Die konnte sich selbst an mir nicht vorbeischleichen.
In Zeiten der Pandemie sollte – nein, muss! – Dating der Vorsicht weichen. Also traf ich Dimitri, 35, Architekt, mit Sicherheitsabstand auf offener Straße. Wir gingen spazieren, tranken unsere Colas und zogen uns gegenseitig runter.
„Schlimm mit Corona, ne?“
„Mhm, mhm.“
„Aber deinen Eltern geht’s gut soweit?“
„Mhm. Deinen?“
„Mhm, mhm.“
So ging das etwa eine Stunde lang.
Dann wurde es noch ungemütlicher, es fing an zu regnen.
Wir standen vor meiner Wohnungstür, also gewährte ich dem Mann ohne Schirm Unterschlupf – schließlich bin ich kein Unmensch.
Wir trockneten unsere Haare mit meinen einzigen Handtüchern, die keine Blessuren vom Haarefärben davongetragen hatten. Mit unseren Wuschelköpfen tranken wir grünen Tee und lauschten meiner selbst erstellten Spotify-Weekend-Vibes-Liste.
Wir schwiegen, bis es weh tat.
Glücklicherweise hatte ich mir die Beine nicht umsonst nicht rasiert.
Diese Trantüte gehörte abgeschossen.
Leider gibt es wenig charmante Methoden, jemanden aus seiner Wohnung zu werfen, so lehrten mich viele Bachelor-Episoden.
„Nun… es ist schon recht spät geworden“, stieß ich heraus, wohl wissend, dass um diese Zeit selbst in Jugendherbergen noch die Post abging.
„Äh, wir haben Viertel nach Neun.“
„Ich weiß, es ist noch früh, aber ich muss dummerweise morgen ganz früh zum Zahnarzt und…“
„Nein.“
„Nein?! Doch, Freundchen! Doch!“
Ich sah mich schon mit einem Nudelholz hinter ihm herjagen.
Dimitri lachte verlegen.
„Ich meine, ich kann leider nicht gehen. Jedenfalls nicht vor morgen früh. Es herrscht doch Ausgangssperre bis Fünf. Musste doch mitgekriegt haben.“
Also blieb er.
Er schlief auf der Couch, ich lag mit verästelten Cartoon-Augen in meinem Bett. Hellwach. Als er sich im Morgengrauen verabschiedete („Bin dann mal weg!“, hallte es durch den Flur), stellte ich mich – und darauf bin ich wirklich nicht stolz – schlafend.
Langsam kapierte ich das mit dem Zeitunglesen.
Auch wenn es wohl keine Eilmeldung über Dimitris phlegmatisches Temperament gegeben hatte, so ist es doch ratsam, sich hin und wieder zu informieren.
Schreiben ist ihr Steckenpferd: Die Kölnerin Sybille Statz liebt große Romanzen genauso wie Horrorfilme, Katzen und Serien der 90er. Noch mehr von ihr gibt’s in ihren beiden Kurzromanen „Matches for Real – Das Dating-Desaster“ und „After Sunset – Korallenrot“ sowie hier zu lesen.
Was unsere Autorin Sybille Statz beim Dating so alles erlebt? Hier findest du die weitere Folgen zum Lesen, Staunen und Schmunzeln.
Text: Sybille Statz