Die Kunst des Verlierens
„Lerne zu verlieren, Tag für Tag“, hat Elizabeth Bishop mal gesagt. Tja, nicht jeder von uns ist ein so guter Verlierer. Ich erlaube mir, mich noch weiter vorzuwagen: Männer sind meist besonders mies darin. Kriege, Frauenherzen, Fußball. Es geht immer ums Gewinnen. Keine halben Sachen.
Micha, 34, Adrenalin-Junkie, schickte mir unmittelbar nach unserem Match eine Nachricht. Irritiert, dass er mir nach so kurzer Zeit mehr als zwei Silben schrieb, spekulierte ich auf einen fadenscheinigen Copy-Paste-Gänger. Was soll’s, dachte ich. Immerhin hatte ich noch niemanden für das Billard-Doppeldate, welches eine Woche zuvor von meiner Freundin Vanessa angesetzt wurde.
Es war mein erstes Mal. Billardtische kannte ich nur aus Filmen, in denen der Rowdy der Stadt seinem Rivalen den Rücken zukehrt, kurz bevor er von diesem mit dem Barhocker eins übergezogen bekommt.
„So, ihr Muschis! Die erste Runde ist zum Aufwärmen, dann geht’s ans Eingemachte“, gab Vanessa den Ton an.
Micha spielte richtig gut. Ich fragte mich, ob er nur Glück hatte, ein Naturtalent war oder er die Sache sehr ernst nahm. Ich dagegen war so talentfrei wie ein humpelnder Waschbär auf Pilzen.
„Beim nächsten Mal klappt’s“, ermunterte er mich.
Er tätschelte meinen Hintern, ich hielt ihm bei seinem Zug die Augen zu, Vanessa imitierte mit ihrem Stock einen Blowjob, ihr Freund verdrehte die Augen. Die Stimmung war ausgelassen.
Dann brach die zweite Runde an, Schluss mit lustig. Nach meinem erneuten Fail verrutschte Michas Gesichtsausdruck. Er bekam etwas unangenehm Entschlossenes, beinahe aggressiv.
Wir spielten in Teams, sollte man vielleicht noch dazu sagen. Und ich hatte unseres auf dem Gewissen. Mir schwante, meine Unbeholfenheit würde kein Aphrodisiakum sein. Aber sie wurde zum absoluten Dealbreaker. Ja, meine zwei linken Hände hatten ein Monster geschaffen. Eines, das kaum noch mit mir sprach und meinen Blicken auswich.
Micha fluchte, biss sich auf die Unterlippe und ballte eine Faust, wenn ich es wieder „versaute“. Unterdrückte Wut kam noch keinem meiner Dates unter.
Unser Abend war kontaminiert.
Jeder Anwesende war froh, nicht ich zu sein. Ich fing an, mich mehr für meine Begleitung als für meine erbärmliche Vorstellung mit dem Billardstock zu schämen.
Das Spiel hatte ich verloren, doch ich gewann folgende Erkenntnis: Nicht Billard spielen zu können, hatte mich vor einem großen Fehler bewahrt. Mit Sicherheit hätte ich Micha sonst wieder getroffen und ein Kennenlernen mit Mr. Hyde bloß hinausgeschoben.
Schreiben ist ihr Steckenpferd: Die Kölnerin Sybille Statz liebt große Romanzen genauso wie Horrorfilme, Katzen und Serien der 90er. Noch mehr von ihr gibt’s in ihren beiden Kurzromanen „Matches for Real – Das Dating-Desaster“ und „After Sunset – Korallenrot“ sowie hier zu lesen.
Was unsere Autorin Sybille Statz beim Dating so alles erlebt? Hier findest du die weitere Folgen zum Lesen, Staunen und Schmunzeln.
Text: Sybille Statz