Bunt wie Bonbons und mit so viel Detailliebe versehen, dass einem so mancher eher erst aufs Handgelenk denn ins Gesicht blickt: Die Swatch, die wohl fröhlichste Uhr der Welt, wird 35.
Es gibt selten die Eine. Weder in der Liebe noch im Leben. Mit Uhren läuft das ähnlich, mag es auch diejenigen geben, die die Zeit ihr Leben lang vom selben Zifferblatt ablesen, einem Uhrenmodell, vererbt vom Urgrossvater, über Generationen weitergegeben, oder einem vom ersten grossen Geld selbst erstandenen Luxus-Modell. Nun denn, Luxus ist auch, die Wahl zu haben – und zwar jeden Tag aufs Neue. Das ist der Grund, weshalb der Absatz der ersten Swatch 1983 alle Skeptiker die Augen reiben ließ.
Verpennt, verpasst, verpeilt
Veränderung war bitter nötig. In den 70ern drehte sich der Wind für die Schweizer Uhrmacherkunst: Billigmodelle aus Asien fluteten den Markt und fegten Tsunami gleich alles vom Tisch, was der Industrie bis anhin das grosse Geld sicherte. Da reichten die handwerkliche Präzisionsarbeit und der Stempel „Made in Switzerland“ nicht mehr, um mit den Massenproduktionen aus Fernost mitzuhalten. Die Exportzahlen fielen um die Hälfte, der Schweizer Marktanteil sackte von über 50 auf gerade mal 15 Prozent. Ein Desaster! Die Uhren branche war an ihrem eigenen Innovations-Versäumnis erkrankt, doch je mehr das Fieber stieg, desto heisser ging es im Kopf von Swatch-Group-Gründer Nicolas Hayek zu und her. In der Hitze entstand eine Idee, die dem Uhrenmarkt die Würze verleihen sollte, die ihr so lange gefehlt hatte.
Fantastic plastic Swatch
Eine Uhr aus Plastik, flach wie nie, aus lediglich 51 statt den üblichen 91 Teilen, mechanisch einwandfrei und bunt wie ein Bonbon: Das war Nicolas Hayeks Antwort auf die asiatische Konkurrenz. Das Konzept verwies den Gedanken von der teuren Schweizer Luxusuhr in die Ecke. Als „Zweituhr“ traten die Modelle von Swatch ihren Siegeszug an, erlaubte es doch der Preis von damals 50 Franken, sich je nach Stimmung und Situation die eine oder andere zusätzliche Uhr zu leisten. Aus dem Zeitmesser wurde ein Mode-Accessoire und aus dem Statussymbol ein Designobjekt. Jährlich bringt das Label seitdem zwei Kollektionen, eine neue Produktlinie sowie zahlreiche Spezialund Künstleruhren auf den Markt, deren Modelle zu Sammlerstücken avancieren. Bei Sotheby’s gehen immer wieder Sammlungen über den Tisch, der italienische Bijoutier Gianni Bulgari ersteigerte kurz nach der Lancierung 1984 beispielsweise 125 Uhren. Die Uhren sind so gefragt, dass 1’600 Modelle aus dem Swatch Newseum 1997 bei der Reise nach Zypern gestohlen wurden. Eine Million Franken Finderlohn bot das Unternehmen – und brachte seine Uhren selbst damit nicht zurück.
Happy kid
Swatch sei ein Kind, das nicht volljährig werden solle, wird der 2010 verstorbene Nicolas Hayek oft zitiert. Ein fröhliches Kind, das mit jeder Kollektion Geburtstag feiert und mit jedem Modell eine weitere Facette seiner Persönlichkeit offenbart. Seit den 80ern fungiert das klassische Swatch-Design für zahlreiche Künstler als Leinwand. Keith Harings skizzierte Männchen schaffen es so genauso auf die Swatch wie Kiki Picassos bunte Collagen oder Jeremy Scotts verrücke Prints. Neben Kunststoff oder Silikon werden mittlerweile auch Edelstahl oder Aluminium verwendet, um der Swatch Saison für Saison einen neuen Anstrich zu verpassen. Getreu dem Motto: Nichts ist unmöglich.
die Swatch Uhr gibt’s jetzt auch in eckig. Hier geht’s zum Artikel.