Mit seinen Locken sieht Valentino Cassanelli eher aus wie ein Rockstar als ein Küchenchef. Und irgendwie ist er das auch, rockt er doch die Teller des Restaurants Lux Lucis in Forte dei Marmi wie Mick Jagger die Bühne des Madison Square Gardens. Weil nicht nur die Gäste von Cassanellis Gerichten begeistert sind, sondern auch diejenigen, deren Beruf das Essen ist, krönt seit 2017 ein Michelin-Stern die Arbeit des 36-jährigen Italieners.
FACES: Wie sind Sie zu Ihrem Beruf gekommen?
Valentino Cassanelli: Ich wollte schon immer Küchenchef werden. Ich liebe Essen und die gastronomische Welt, schon seit ich ein kleiner Junge war. Früher habe ich meiner Grossmutter bei der Zubereitung von Tortellini und Lasagne geholfen und ab und zu die Füllung für die Tortellini gestohlen. Ich war so neugierig auf deren Geschmack und die Aromen! Von da an begann ich das Glück zu schätzen, das man beim Kochen für andere empfindet, und das ist der Hauptgrund, warum ich beschlossen habe, Koch zu werden.
F: Wie würden Sie Ihr Restaurant Lux Lucis in einem Satz beschreiben?
VC: Als freien Ausdruck der italienischen Küche.
F: Von der Idee über das Konzept bis hin zum fertigen Restaurant: Wie lange hat es gedauert, bis Sie das Lux Lucis eröffnen konnten?
VC: Es ist die Arbeit eines ganzen Lebens: ein ständiges Bemühen, mein Zuhause und mich selbst im fertigen Gericht und in einer kompletten Speisekarte zu repräsentieren. Daher ist der Prozess immer in der Entwicklung.
F: Weshalb sollte man unbedingt in Ihrem Restaurant speisen?
VC: Wegen des einzigartigen und persönlichen gastronomischen Angebots, das in all seinen Aspekten sowohl Gourmets, die auf der Suche nach dem ultimativen kulinarischen Erlebnis sind, als auch Gäste anspricht, die einfach etwas Zeit für sich haben und einen besonderen Moment geniessen möchten.
F: Worüber machen Sie sich zu viele Gedanken?
VC: Im Mittelpunkt all unserer Aktivitäten stehen die Zufriedenheit der Gäste und ein freier Ausdruck. Ich würde nicht sagen, dass ich mir zu viele Sorgen um sie mache, aber diese beiden Elemente beschäftigen meinen Geist definitiv die meiste Zeit. Was diese beiden Punkte betrifft, kann es beängstigend sein, sich persönlich einzubringen, aber das Engagement aus erster Hand ist notwendig, um seine eigenen Ideen einbringen zu können.
F: Wie sind Sie als Chef?
VC: Ich bin streng, entschlossen und leidenschaftlich. Darüber hinaus mag ich es, mit einem motivierten Team zu arbeiten, in dem ein gesunder Wettbewerb herrscht, das aber immer das grosse Ganze im Blick behält und gemeinsam dasselbe Ziel verfolgt.
F: Welche Eigenschaften braucht ein guter Gastgeber?
VC: In erster Linie muss Leidenschaft für die Gastfreundschaft vorhanden sein, aber auch der Wunsch, Kultur und Glück zu teilen. Und natürlich dürfen auch Managementfähigkeiten nicht fehlen.
F: Welche Gäste mögen Sie am liebsten?
VC: Ich mag jeden einzelnen unserer Gäste, von den diskretesten bis zu den exzentrischsten. Jeder, der sich für uns entscheidet, teilt ein Stück seines Lebens mit uns, und dafür bin ich wirklich dankbar. Ich geniesse es, die Freude derer zu sehen, die uns regelmässig besuchen und unsere neuen Menüs und Projekte verfolgen.
F: Was mögen Sie an Gästen nicht?
VC: Nichts Bestimmtes. Generell die Unfähigkeit, damit den Moment zu geniessen.
F: Was sind Ihre Erwartungen an Ihr Restaurant, und wie haben sich die Erwartungen Ihrer Gäste in den vergangenen Jahren verändert?
VC: Die Erwartungen und das Bewusstsein sind in den vergangenen Jahren exponentiell gewachsen. Wir alle sind besser informiert, wenn auch nicht immer auf die richtige Art und Weise. Deshalb ist es jedermanns Pflicht, ständig an seiner Vision festzuhalten, um das beste Essenserlebnis zu zaubern, das man auf einer persönlichen Ebene bieten kann.
F: Als Gastgeber erleben Sie einen spannenden Alltag. Welche Geschichte müssen Sie uns unbedingt erzählen?
VC: Das Leben ist voller Anekdoten. Ich erinnere mich zum Beispiel daran, wie ich an meinen ersten Tagen in London den Auftrag bekam, etwas zu holen. Zu diesem Zeitpunkt sprach ich noch kein Englisch und verstand nicht ganz, was sie von mir wollten. Das Ende vom Lied: Ich verirrte mich in den Kühl- und in den Lagerraum und trug zig Kisten hoch, von denen ich dachte, dass sie nützlich sein könnten.
F: Was halten Sie von Take-away?
VC: Ich bin nicht besonders angetan davon, aber in dieser Zeit ist es nach wie vor die beste Lösung, unsere Gäste und Freunde auf Distanz zu bekochen. Dort zu essen, wo auch gekocht wird, miteinander am selben Tisch zu sitzen und gemeinsam ein Abendessen zu geniessen, ist unbezahlbar, egal ob es sich um Fine Dining oder Street Food handelt.
F: Worauf achten Sie, wenn Sie selbst auswärts essen?
VC: Auf Geschmack und Schönheit. Ich suche nach Einzigartigkeit und Emotionen.
F: Welches ist das beste Restaurant der Welt, in dem Sie je selbst gegessen haben?
VC: Es ist schwer zu sagen, welches das beste ist. Jedes Restaurant hat sein eigenes Konzept und eine individuelle Vorstellung vom perfekten Geschmack. Woran ich mich jedoch gerne erinnere, ist das Alinea in Chicago.
F: Was kochen Sie für sich selbst?
VC: Gut durchgebratenen Toast mit geröstetem Schinken und geschmolzenem Käse.
F: Welches ist Ihr liebstes Fertigprodukt?
VC: Schinken, Käse, und ein gutes Glas Wein.
F: Wo steht Ihr eigenes Bett?
VC: In einer kleinen Stadt, fünf Minuten vom Meer entfernt, in einer Wohnung mit herrlichem Blick auf die Apuanischen Alpen.
Das hält Valentino Cassanelli von…
Avocado: Gemüseliebe
Toast Hawaii: Experimentelles
Molekulare Küche: interessante Techniken
Sprühsahne: nie wieder
Vorgeschnittenem Brot: niemals ohne
Tofu: die Konsistenz!
Nose to tail: Geschmack und kein Abfall
Nutella: kann süchtig machen (bei mir nicht)
Thermomix: sehr nützlich
Mikrowelle: unbedingt notwendig
Chia: Superfood
Lux Lucis
Ein Michelin-Stern krönt das Restaurant Lux Lucis, das Küchenchef Valentino Cassanelli im italienischen Forte dei Marmi führt. Auf die Teller kommen modern interpretierte Gerichte, die lokale Ingredienzen und den Geist der italienischen Küche zelebrieren. Inspirieren lässt sich der Chef von seinem Maître Sommelier Sokol Ndreko und dessen Weinen, die Cassanelli nicht selten in seine Kreationen miteinfliessen lässt. Das Lux Lucis befindet sich auf dem Dach des Hotels Principe Forte dei Marmi, zwischen den Apuanischen Alpen und dem Tyrrhenischen Meer.
Lux Lucis, Forte dei Marmi, Toskana, Italien, www.principefortedeimarmi.com
Valentino Cassanelli
Neben Modena und mit der italienischen Küche aufgewachsen, hat ihn seine Passion fürs Kochen nach London geführt. Dort hat sich Valentino Cassanelli unter anderen im NOBU seine Sporen abverdient, bevor es ihn zurück nach Italien zog. Mehrere Preise säumten seinen Weg durch die Küchen der besten Restaurants des Landes, bevor er 2017 seinen ersten Michelin-Stern erhielt. Heute arbeitet der 36-jährige Cassanelli im Lux Lucis in Forte dei Marmi und begeistert die Gäste mit seinen kulinarischen Kreationen.