Sally und Lettie Pattinson zeigen mit ihren Bomberjacken aus Fake Fur grossen Modehäusern, dass es höchste Zeit ist, endlich auf Echtpelz zu verzichten. Was sie unter ihrem Label The Design Studio im privaten Atelier in einem walisischen Kaff produzieren, verkauft sich über Instagram wie Eiscreme an einem heissen Sommertag.
Heute noch Echtpelz zu tragen, ist wie Atomraketen zu horten. Die Gründe sprechen für sich: Fake Fur ist nicht nur besser fürs Gewissen, sondern auch günstiger, einfacher produziert und in mehr Ausführungen erhältlich. Und wenn aus dem flauschigen Material auch noch so coole Kleidung entsteht wie die Bomberjacken von The Design Studio gibt es tatsächlich keine Ausrede mehr, nicht aufs künstliche Fell zu setzen. The Design Studio ist ein kleines, walisisches Label, das den Grossen in Mailand oder Paris zeigt, dass es auch anders geht. Sally und Lettie Pattinson heissen die beiden Gründerinnen – ein Gespann aus Mutter und Tochter, beide
Tierfreunde und Modefans. Über 30 Jahre hat Sally in der Modewelt gearbeitet und das Handwerk noch von der Pieke auf gelernt. Ihr Wissen über Schnitte und Stoffe hat sie lange als Lehrerin weitergegeben, diesen Job aber zugunsten des eigenen Labels an den Nagel gehängt. Wie es dazu kam? Lettie trug schon immer, was die Mutter für sie schneiderte. Und das fiel auf. „Während meines Studiums in Liverpool wurde ich ständig auf meine Kleidung angesprochen“, erinnert sich Lettie. „Als ich dann erzählte, dass meine Mutter dahinter steckt, konnten es die Menschen kaum glauben.“ So eröffnete die junge Marketing-Studentin kurzerhand einen eigenen Instagram-Account und postete munter Fotos von dem, was Mutter Sally an der Nähmaschine so fabrizierte. Das Interesse, die Kommentare und Likes gaben den Anstoss weiterzumachen. Die Idee zu The Design Studio war geboren.
Dreamteam
Sally hat schon immer genäht und ihre eigene Kleidung gefertigt. Erst für sich selbst, dann für Kunden und die eigene Tochter. Dass sie jetzt sogar für ihr eigenes Label produziert, ist die logische Konsequenz. 2015 startet sie gemeinsam mit Tochter Lettie The Design Studio. Gemeinsam brüten sie über passender Kleidung und beschliessen schlussendlich, sich auf ein Teil zu konzentrieren, das aufgrund von Grösse und Passform zahlreichen Körperformen passt und vielfältig wandelbar ist: die Bomberjacke. Produziert wird in Hawarden, einem 2’000-Seelen-Dorf im britischen Wales in der Nähe von Liverpool. Die 58-jährige Sally näht jedes einzelne Stück selbst, und jedes davon nur einmal. Es sind Unikate, gefertigt aus unterschiedlichstem Kunstpelz, den die beiden gemeinsam aussuchen. Während die Mutter an der Nähmaschine ihr Können zeigt, tut die 23-jährige Lettie, was sie am besten kann: Sie schiesst Fotos und postet diese fleissig auf Instagram. Keine perfekten Modelshots, sondern authentische Bilder, die mit den Charme von The Design Studio ausmachen. Eine schöne Abwechslung zu all den bis zur Unkenntlichkeit überphotoshoppten Kampagnen grosser Labels. Sallys und Letties Entwürfe sind so farbig wie der Regenbogen über Liverpool und so ausgefallen wie ihre eigene Geschichte.
Die Social-Media-Fliegenfalle
Bis heute haben Sally und Lettie über 5’000 Bomberjacken produziert. Wem eine der Jacken gefällt, der schreibt den beiden über Instagram oder seit kurzem auch über die eigene Webseite. Jedes Stück ist einmalig. Wäre es nicht leichter, mit einzelnen Designs in Grossproduktion zu gehen? „Es gestaltet sich extrem schwierig, sich in der heutigen Zeit noch individuell zu kleiden. Alle tragen dieselben Teile. Wir wollen einzigartige Stücke zu einem guten Preis kreieren, bei denen du sicher weisst, dass nur du sie im Kleiderschrank hast“, erklärt Lettie Pattinson ihr Konzept. Ein guter Ansatz. Und in Sachen Preis macht ihnen so schnell keiner was vor. Ab 90 Pfund sind ihre Kleidungsstücke zu haben, das teuerste kostet rund 250 Pfund. Damit wird klar: Ein grosser Teil ihres Lohns ist die Anerkennung ihrer Kunden. Die honorieren die coolen Jacken mit eigenen Posts, mit begeisterten Kommentaren und Weiterempfehlungen. Instagram macht’s möglich. Lettie steht hinter ihrem Social-Media-Konzept: „Über Instagram kannst du so viele Menschen erreichen und dich mit ihnen vernetzen. Ich glaube, unsere Kunden schätzen auch die Möglichkeit, direkt mit uns in Kontakt zu treten und uns persönliche Nachrichten schicken zu können.“ Ihre Jacken schicken The Design Studio nach Dubai, Australien, Japan, in die USA und nach Kanada, den grössten Absatz generieren sie jedoch in Belgien, wo Lettie und Sally mit zahlreichen Boutiquen zusammenarbeiten, denen sie alle ein bis zwei Wochen ihre neusten Teile schicken. Über 37’000 Followers hat The Design Studio auf Instagram, und stetig werden es mehr. Auch Kanye West und Suki Waterhouse gehören zu Sallys und Letties Fans, die den Hype um das kleine, walisische Label weiter ankurbeln.
Interview mit Lettie Pattinson
FACES: Inwiefern unterscheidet sich The Design Studio von anderen Labels?
Lettie Pattinson: Wir sind ein Mutter-Tochter-Duo, was in der Modebranche nicht allzu oft vorkommt. Alle unsere Kleidungsstücke produzieren wir in unserem Studio in einer kleinen Stadt auf dem Land im Norden von Wales. Jedes Teil ist ein Einzelstück, und wir designen alles selbst.
F: Weshalb verkauft ihr eure Kollektionen über Instagram?
LP: Zuerst haben wir damit begonnen, über Instagram zu verkaufen, weil wir innert kürzester Zeit enorm viele Followers generieren konnten, die Interesse zeigten, unsere Jacken auch zu kaufen. Es war ein sehr aussergewöhnlicher Weg, seine Produkte zu verkaufen, den noch kaum jemand anderes nutzte. Es hat so viel Spass gemacht zuzusehen, wie sich mit wenigen Backstage-Posts ein solcher Hype um unsere Kleidung bildete. Ich glaube, unsere Kunden mögen auch dieses Gefühl von Exklusivität, wenn sie bei uns über Instagram etwas kaufen können.
F: Ist Instagram eher Fluch oder Segen?
LP: Zu Beginn war Instagram einfach ideal, ein absoluter Segen. Es ist kostenlos, und du kannst dich mit so vielen Menschen in Verbindung setzen. Jeder kann dank Instagram sein eigenes Label gründen und sich mit Fotos und Bildern kreativ ausdrücken. Aber wir leben in einer Welt, die heute besessen ist von Social Media und von dem, was andere Menschen tragen und tun. Der Druck steigt, und ich mache mir viele Gedanken darüber, wie die Community auf unsere Fotos reagiert, ob sie sie mögen oder nicht und wie die Kommentare aussehen könnten.
F: Welche Vision hattet ihr, als ihr The Design Studio gegründet habt?
LP: Wir wollten exklusive, handgefertigte und individuelle Jacken herstellen und diese an Menschen verkaufen, die sich für neue Labels interessieren und die in etwas investieren möchten, bevor der Hype die Masse erreicht. Viele unsere Kunden bleiben mit uns in Kontakt, schreiben uns und oder schicken Fotos – das ist toll!
F: Wie ist es als Mutter-Tochter-Team zusammenzuarbeiten?
LP: Glücklicherweise verstehen wir uns richtig gut. Wir kennen die Talente des jeweils anderen und hören auch auf unsere gegenseitigen Ratschläge. Ich arbeite oft die ganze Nacht durch, um die verschiedenen Zeitzonen unserer Kunden berücksichtigen zu können, während meine Mutter ein absoluter Frühaufsteher ist. Sie ist für mich eine grosse Inspiration und war bereits während meiner Schulzeit die stylischste Mutter. Ihre Schuhe passen immer zum Schal oder ihre Ohrringe zu ihrer Halskette.
F: Welche Lektionen habt ihr während eurer Zeit in der Modebranche gelernt?
LP: Wichtig ist, nicht jedem immer blind zu vertrauen – manchmal gibt es versteckte Kosten oder Nachteile, die du zu Beginn nicht erkennst. Du musst dir bewusst sein, dass nicht jeder immer dein Bestes will. Wir versuchen, unsere Erwartungen realistisch zu halten, um später nicht enttäuscht zu werden. Viele haben uns schon falsche Versprechungen gemacht. Realistisch zu sein, ist der Schlüssel. Die Modebranche ist keine freundliche Welt.
F: Mit welchem Model würdet ihr gerne zusammenarbeiten?
LP: Es gibt so viele Models, die in unseren Jacken grandios aussehen würden! Über Instagram lernen wir aber jede Menge Models kennen, die nicht unbedingt berühmt oder bereits unter Vertrag sind, deren Look aber sehr gut zu The Design Studio passt. Wenn ich mir jedoch jemanden aussuchen dürfte, wäre das Bella Hadid. Sie wirkt sehr cool und hat einen grosssartigen Stil, unsere Bomberjacken würden ihr fantastisch stehen.
F: Welchen Vorteil hat Kunstpelz im Vergleich zum echten?
LP: Kunstpelz ist ethisch korrekt, weil damit keine Tiere zu Schaden kommen. Aber auch die grosse Auswahl an Farben, Texturen und Mustern macht die Arbeit damit viel leichter. Und man kann Fake Fur zu jeder Jahreszeit tragen – in Pastell zum Beispiel sogar im Sommer!
F: Wie steht ihr zu Echtpelz?
LP: Ich liebe Tiere und habe deshalb noch nie etwas aus Echtpelz gekauft. Es ist toll zu sehen, dass sich heute so viele Menschen dagegen aussprechen und auch gegen die grossen Modehäuser demonstrieren, die nach wie vor sehr viel echten Pelz zeigen. Es gibt keinen Grund dafür! Mit Kunstpelz kannst du genauso luxuriös und glamourös sein, und er hält genauso warm wie echter Pelz. Es ist traurig, dass gewisse Menschen trotz der öffentlich gemachten Fakten zur grausamen Pelzproduktion nach wie vor solche Produkte kaufen. Auch einflussreiche Modehäuser müssen damit aufhören, Echtpelz zu verkaufen.