Bunte Haare, farbige Tattoos und ein erfreulich unverkrampfter Umgang mit nackten Brüsten – unschwer zu erkennen, warum das Internet Riae Suicide liebt.
„Ich liebe es, neue Leute kennenzulernen, schreibt mir einfach!“. Eine ungewöhnliche Aufforderung für ein professionell tätiges Model mit einer Fanbase von mehreren Hunderttausend Followern. Noch ungewöhnlicher ist die Tatsache, dass Riae Mac Carthy, so ihr bürgerlicher Name, auch tatsächlich zu ihrem Wort steht. Sie beantwortet Fragen, kommentiert und bedankt sich für Komplimente – freilich nicht für jedes davon. Aber die „Volksnähe“ ist doch außergewöhnlich. Ähnlich außergewöhnlich wie Riaes Lebenslauf. Die Tochter einer Italienerin und eines Iren wächst irgendwo zwischen Deutschland und Italien auf. Italienisches Temperament und irisches Draufgängertum stellen sich als explosive Mischung heraus. Gerade mal 14 Jahre alt ist Riae, als sie sich ihr erstes Tattoo stechen lässt. Es sollte das erste von vielen sein und ihr gleichzeitig die Türe in die Welt dahinter öffnen. Zwei Jahre später büxt sie von daheim aus, hängt in Tattoo-Studios rum, lernt Künstler und die Tattoo-Kultur kennen und ist schon bald selber ein Teil davon. Erste Shootings stehen an, die Riae zwar über die Landesgrenzen hinaus bekannt machen, aber kaum Geld einbringen. Für die Lebenskünstlerin kein Problem, sie arbeitet als Putzfrau, Stripperin oder wäscht Hunde in einer Tierhandlung. 2007 wird Riae in die erlauchte Welt der „Suicide Girls“ aufgenommen – zu dieser Zeit die wichtigste Plattform für alternative Models und rückblickend wohl auch der tragende Eckpfeiler der Szene. Danach geht es schnell: Fashion-Shootings, Auftritte im italienischen Staats-Fernsehen und in Musikclips. Auch Akt- und Fetischsettings sind darunter, diese meistern den Seiltanz zwischen Erotik und Kunst aber stets dermaßen gut, dass sie niemals billig oder vulgär wirken. Eine Tatsache, auf die auch der italienische Playboy aufmerksam wird – und Riae Suicide als erstem tätowierten Model eine Fotostrecke widmet. „Hier scheint ein Umbruch stattzufinden“, meint Suicide selbst – und sollte Recht behalten: „Zombie Boy“ Rick Genest bekommt ein Editorial in der „Men’s Vogue“ und ganzkörper-tätowierte Models wie Miles Langford laufen für Lacoste oder Calvin Klein über den Catwalk. Und während die Grenzen zwischen High-Fashion und der alternativen Szene verschwimmen, plant die 1 Meter 60 kleine Riae bereits für die Zeit danach. Eine eigene Dessous-Kollektion soll später einmal die Rechnungen bezahlen – das Klischee-Bild des naiven Model-goes-Designer-Mädchens würde hier bestätigt, wäre da nicht die Tatsache, dass Riae rund die Hälfte ihrer Shooting-Lingerie selbst geschneidert hat. Bis dahin bleibt aber auf jeden Fall noch etwas Zeit, die Riae Suicide nutzen wird, um den Rest der Welt zu erobern.
Foto: suicidegirls