Der amerikanische Künstler Frank Ockenfels 3 inszeniert die A-Liga der Stars, wie es niemand sonst tut. Statt sie sauber und langweilig zu porträtieren, wirft er seine persönlichen Tagebücher, Collagen und Malereien in den Mix. Seit den Achtzigern beweist er, dass Kunst weder Regeln noch teure Ausrüstung braucht, sondern Ideen, anpackende Hände und hemmungsloser Selbstausdruck. Die Fotografiska Berlin lädt mit der Ausstellung „Frank Ockenfels 3: Introspection“ dazu ein, sich dem ungezähmten Ockenfels-Universum hinzugeben. Im Interview verrät uns Frank Ockenfels höchstpersönlich, ob es ihn nervös macht, dass das Ablichten von Hollywoodstars zum Alltagsgeschäft gehört und ob die Welt früher wirklich besser war.

FACES: Es scheint, als ob alle schon vor deiner Linse gestanden haben. Gibt es jemanden, den du unbedingt fotografieren möchtest, es aber bisher noch nicht geschafft hast?
Frank Ockenfels: Ein Name fällt mir sofort ein – Daniel Day-Lewis. Sein Gesicht wird mit dem Alter immer ausdrucksstärker und ich bewundere die Tiefe in seinen Gesichtszügen. Es wäre ein Traum, das einzufangen. Auch Ralph Steadman, der Künstler, wegen der einzigartigen Erfahrung. Es gibt etwas an ihren Gesichtern, ihrer Präsenz, das ich durch meine Linse erkunden möchte.
F: Wer war der spaßigste Mensch, den du je fotografiert hast, und warum?
FO: Rami Malek, definitiv. Was für ein fantastisches Gesicht! Und er ist so offen für Zusammenarbeit. Wir hatten sofort eine Chemie, bei der er 100 Prozent von sich selbst in den Moment einbrachte. Wir haben einfach kreiert, ohne zu viel nachzudenken. Diese Spontaneität hat das Shooting unvergesslich gemacht.
F: Brauchst du eine enge persönliche Beziehung zu deinen Motiven oder ist es einfacher, jemanden zu fotografieren, den du nicht gut kennst? Oder hängt es vom Menschen ab?
FO: Es kommt tatsächlich auf den Moment an. Was ich am meisten genieße, ist die Verbindung im Hier und Jetzt. Es geht um das Porträt, das wir zusammen in diesem Moment erschaffen – mit der Umgebung, dem Licht und dem Gespräch. Wenn man mit vorgefassten Ideen oder einer Agenda an die Sache herangeht, verschiebt sich der Fokus auf einen selbst, nicht auf das Motiv. Die besten Porträts entstehen, wenn alles im Moment zusammenfließt.
F: Warst du in den Anfangsjahren deiner Karriere jemals nervös, wenn du berühmte Menschen fotografiert hast – beispielsweise, als du David Bowie vor der Linse hattest?
FO: Ich erinnere mich nur an eine Situation, in der ich nervös war – mit Richard Serra. Er ist einer meiner Helden und ich war beauftragt, ihn zu fotografieren. Als ich in seinem Studio ankam, gab er mir genaue Instruktionen, wie ich ihn fotografieren soll. Ich war ziemlich nervös, aber meine Frau, die mit mir war, stieß mich an und sagte mir, ich solle aus meinem Kopf rauskommen. Ich folgte also seiner Anleitung nicht und es wurde besser, als ich es mir je hätte vorstellen können.


„Die beste Kunst entsteht durch Erfahrung, durch Tun, durch Scheitern.“
F: Was ist deine schönste Erinnerung an einige deiner bekanntesten Porträts? Gibt es unvergessliche Momente hinter den Kulissen, an die du gerne zurückdenkst?
FO: Eine meiner Lieblingsszenen war mit David Lynch. Er empfing mich an der Tür mit einer Tasse Kaffee und führte mich in sein Büro. Er drehte sich zu mir und sagte: „Wenn ich mit meinem Kaffee fertig bin, bist du fertig.“ Es war so spielerisch und gleichzeitig intensiv. In dieser kurzen Zeit haben wir etwas Besonderes erschaffen, und ich mochte die Herausforderung, die er mit jedem Foto stellte. Es gibt immer eine kreative Zusammenarbeit mit Menschen wie ihm.
F: Welches ist die Kamera deiner Wahl?
FO: Früher war es meine Super D Graflex, aber die stellen keine Filme mehr dafür her. Jetzt finde ich alte Objektive, die ich an Digitalkameras anschließe. Für mich geht es nicht um die Kamera, sondern darum, was ich in diesem flüchtigen Moment einfangen kann.
F: Du bist bekannt dafür, mit minimaler Ausrüstung zu arbeiten. Ist die Kameraausrüstung heutzutage zu komplex? Ist alles zu perfektioniert, um überhaupt noch Spaß zu haben?
FO: Für mich ist es einfach – weniger ist mehr. Ich glaube nicht, dass man viel Ausrüstung braucht, um etwas Bedeutendes zu erschaffen. Tatsächlich suche ich oft nach dem Fehler, dem seltsamen Licht, das unerwartet auftritt. Da liegt die Magie. Perfektion? Die ist überschätzt. Die Schönheit liegt im Unvollkommenen.
F: Erinnerst du dich an das erste Mal, als du eine Kamera in der Hand hattest? Was war das erste Foto, das du gemacht hast?
FO: Ich war etwa acht Jahre alt und hielt die Instamatic-Kamera meiner Mutter in den Händen. Ich erinnere mich, dass ich Schatten fotografierte – einfach diese simple, unschuldige Entdeckung von Licht und Form. Ich hätte nie gedacht, dass das mich irgendwann dahin führen würde, wo ich heute bin. Aber so hat alles begonnen – in den kleinen, ruhigen Momenten.
F: Du bist schon seit Jahrzehnten in diesem Geschäft – was vermisst du an der guten alten Zeit?
FO: Fotografie ist mittlerweile eine Produktion – Haare, Make-up, Styling, Genehmigungen. Früher klingelte ich einfach an der Tür und hatte eine Tasche voller Kameras dabei. Die Spontaneität war das Entscheidende. Ich vermisse diese Ursprünglichkeit. Aber ich weiß auch, dass man niemals „nie“ sagen sollte – es gibt immer noch Momente, in denen diese Einfachheit zurückkommt.
F: Welchen Rat würdest du jungen KünstlerInnen geben? Und welchen deinem jüngeren Selbst?
FO: Erschaffe immer, was du siehst. Das ist der Grund, warum sie dich engagiert haben – wegen deiner einzigartigen Perspektive. Mein jüngeres Ich? Ich würde sagen, mach dir nicht so viele Sorgen um das Ergebnis. Schaffe weiter, scheitere weiter und lerne daraus. Das ist die Reise.


„KI hat keine Seele… jedenfalls noch nicht.“
F: Du bist wahrscheinlich ein Held für viele angehende KünstlerInnen. Wer sind deine HeldInnen?
FO: Nun, Francis Bacon, Anselm Kiefer, Basquiat, Ralph Steadman, Irving Penn, Erwin Blumenfeld und neuerdings William Kentridge. Diese Menschen haben meine Vision geprägt. Ihre Arbeiten fordern mich heraus, weiter zu gehen.
F: Gibt es frisches Blut in der Fotografie-Szene, das dich begeistert? Oder ist alles schon mal da gewesen?
FO: Es gibt immer frisches Blut. Es geht darum, umherzuwandern und das zu sehen, was direkt vor dir liegt – sei es ein Kunstwerk, ein Stück Papier oder einfach das Spiel von Licht. Inspiration ist überall – wenn man dafür offen ist.
F: Was macht der aktuelle Zustand der Welt mit dir – bist du optimistisch oder pessimistisch?
FO: Ich denke viel darüber nach. Es macht mich traurig, wie sehr die Angst vor Veränderungen und das mangelnde Verständnis für unsere Vergangenheit uns prägen. Aber Kunst wird uns, wie immer, nach vorne bringen. Sie hat die Kraft, herauszufordern, zu reflektieren und uns zu führen.
F: Wie genau hilft uns die Kunst durch schwierige Zeiten?
FO: Kunst war immer da, in den dunkelsten Momenten. Man braucht nur in die Geschichte zu schauen und man wird es sehen. Sie hilft uns, zu verarbeiten, zu reflektieren und uns durch das Chaos zu finden.
F: Wird es immer schwieriger, neue Ideen zu entwickeln? Ist die Welt zu schwer für Kreativität, oder ist das Gegenteil der Fall: schaffen schwierige Zeiten mehr neue Ideen?
FO: Schwierige Zeiten wecken Ideen. Wie bei der Rückkehr des Grunge in der Musik – die Menschen suchen nach den fehlerhaften Kanten, der Rohheit, mit der sie sich identifizieren können. Kunst entsteht aus dem Kampf, den Unvollkommenheiten.
F: Da KI-generierte Bilder überall zu finden sind, glaubst du, dass die Menschen auf handgemachte Bilder verzichten werden oder sie gerade wegen der „Künstlichkeit“ der KI noch mehr verlangen?
FO: KI hat keine Seele… jedenfalls noch nicht. Es ist nicht real, wie menschlich gemachte Kunst. Ich denke, die Menschen werden die Authentizität suchen, die Fehler, die Seele, die mit der menschlichen Berührung kommt. In diesen Bildern steckt etwas Tieferes, das KI nicht nachahmen kann.
F: Du bist also kein großer Fan von KI?
FO: Ich denke, dass sie Potenzial hat, aber ihr fehlt noch etwas Fundamentales. Sie hat wie gesagt keine Seele, die Kunst lebendig macht – noch.
F: Was ist die größte Lüge, die die Leute über Fotografie glauben?
FO: In der Fotografie geht es nicht um die Ausrüstung. Es geht darum, Licht einzufangen. Das ist die Essenz. Die Leute übersehen oft, dass es nicht um die Technik geht, sondern darum, das Licht zu sehen und es in etwas Bedeutungsvolles zu übersetzen.


„Ich bin mir nie sicher, ob ein Bild ein Ende hat.“
F: Wann hast du angefangen, Tagebücher zu schreiben? Und wann hast du begonnen, sie in deiner Kunst zu verwenden?
FO: Es begann als eine Möglichkeit, meinen Kopf freizubekommen, meine Gedanken nach einem Shooting zu ordnen. Ich saß in Flugzeugen, schrieb Gedanken auf, klebte Polaroids dazu. Im Laufe der Zeit wurde es zu einem Aufzeichnen, wie ich Bilder beleuchtet habe. Erst später begann ich, es als Kunstform zu verwenden, aber es ging eigentlich nie um die Kunst. Es war eine Möglichkeit, das, was ich sah, auszudrücken.
F: Was sagen deine Fotos über dich, das Worte niemals könnten?
FO: Meine Fotos zeigen, dass ich immer lerne, immer experimentiere. Sie sagen, dass ich ständig neue Dinge ausprobiere, Grenzen verschiebe und Licht auf Weisen einfange, die Worte nicht erklären können. Sie sprechen für mich, ohne ein einziges Wort zu sagen.
F: Hast du bereits ein fertiges Bild im Kopf, wenn du ein Porträt machst oder fließt alles spontan zusammen, wie bei Collagen und Journaling?
FO: Ich bin mir nie sicher, ob ein Bild ein Ende hat. Es fließt, wie es passiert, und manchmal entwickelt es sich zu etwas ganz anderem. Ich lasse den Moment die Richtung diktieren.
F: Einst sagtest du in einem Interview, dass du ein Studium der Fotografie hast, aber es eigentlich nichts bedeutet. Ist die beste Kunst autodidaktisch?
FO: Ein Studium hilft, aber es ist nur ein Werkzeug. Die beste Kunst entsteht durch Erfahrung, durch Tun, durch Scheitern. Ein Studium gibt dir die Zeit und den Raum, an deiner Vision zu arbeiten, aber es ist das ständige Lernen und Verlernen, das dich als Künstler formt.
F: Welche „Regel“ der Fotografie brichst du gerne?
FO: Ich liebe es, die „perfekte Beleuchtung“-Regel zu brechen. Ich finde Schönheit im Unvollkommenen, im Chaos. Es geht darum, etwas Unerwartetes zu finden, etwas Rohes.
F: Ein paar kurze Fragen zum Schluss: Digital oder analog?
FO: Egal – was immer ich in der Hand habe.
F: Kamera oder Handy?
FO: Auch hier: Was immer ich in der Hand habe.
F: Farbe oder Schwarz-Weiß?
FO: Schwarz-Weiß.
F: Tagebuch führen oder Fotos machen?
FO: Tagebuch führen, weil es mehr Raum für Fehler bietet.
F: Chaos oder Kontrolle?
FO: Chaos.
F: Handgemacht oder digital bearbeitet?
FO: Handgemacht.

Frank Ockenfels 3
Regeln sind zum Brechen da. Frank W. Ockenfels III, als Künstler bekannt als Frank Ockenfels 3, macht seit Jahrzehnten genau das, worauf er Lust hat. Auszüge aus persönlichen Tagebüchern mischt er mit Collage, Fotografie und Malerei. Sein einzigartig verspielt-spontaner Ansatz lockte bisher Größen wie David Lynch, Angelina Jolie oder Milla Jovovich vor seine Linse. Diese muss übrigens nicht von der allerbesten Marke sein: Frank Ockenfels zelebriert die Unvollkommenheit und den Ansatz, das Material zu verwenden, was man eben gerade zur Verfügung hat. In seiner Karriere sind bisher über 200 Albumcover entstanden – von Alice in Chains bis Neil Diamond ist alles dabei –, unzählige Werbekampagnen und Filmplakate für Hit-Shows wie „Breaking Bad“ und „Homeland“.
fwo3.com

Frank Ockenfels 3: Introspection
Wer jetzt durch die Fotografiska in Berlin streift, trifft auf ein bekanntes Gesicht nach dem anderen. Da sind die Boys von Nirvana, dort schaut David Bowie in alle Richtungen, drüben grinsen mehrere nebeneinander gereihte George Clooneys. Und immer wieder schleichen sich Textfetzen aus Tagebüchern, Farbe und Collagen in die Porträts. Willkommen in der Welt von Frank Ockenfels 3. In diese kann man in der Fotografiska Berlin noch bis im Mai eintauchen – am besten mit einer fetten Portion Neugier und Liebe für das Unvollkommene.. Frank Ockenfels 3: Introspection, Fotografiska Berlin, Oranienburger Straße 54, Berlin bis 4. Mai 2025 berlin.fotografiska.com
Hier findest du alles zu Frank Ockenfels 3s Ausstellung in der Fotografiska Berlin.
Fotos: © Frank Ockenfels 3
Einzigartige Fotowelten kreiert auch Regisseur Yorgos Lanthimos.