Erst Fort, dann Gefängnis, jetzt Designhotel: Die Geschichte des Mamula Island liest sich wie ein Märchen. Dies mag auch an der Szenerie liegen, die anmutet wie reine Fantasie. Hier vor der Küste Montenegros hat Hoteldirektor Henning A. Schaub eine Perle gefunden, die mindestens so fasziniert wie die Legende um Atlantis und die Sage von der singenden Meerjungfrau.
Fotos: Mark Anthony Fox
FACES: Wie sind Sie zur Hotellerie gekommen?
Henning A. Schaub: Während der Vorbereitung zum Abitur habe ich begonnen, als Nebenjob in einem gehobenen Restaurant in meinem Heimatort in Niedersachsen zu arbeiten. Dabei hat sich meine Leidenschaft als Gastgeber sowie zum guten Essen und Trinken entwickelt. Somit wich dann mein Studienplan dem Wunsch nach einer Ausbildung in der Hotellerie. Zunächst war das ein ungewöhnlicher Gedanke in einer Familie von Akademikern. Ich höre noch das Unverständnis meines Großvaters – „Und warum genau möchtest du andere bedienen?!“ – habe diese Wahl aber nie bereut. Ich denke, man ist gern Gastgeber – oder eben halt nicht.
F: Wie beschreiben Sie Ihr Hotel in einem Satz?
HAS: Mamula Island ist die außergewöhnliche Verbindung eines geschichtsträchtigen Forts, der atemberaubenden Schönheit der umliegenden Natur und der Annehmlichkeiten eines individuellen Luxushotels in der Privatsphäre einer kleinen Adria-Insel.
F: Von der Idee übers Konzept bis zum vollendeten Hotel: Wie lange haben Sie für diesen Weg gebraucht?
HAS: Das lässt sich schwerlich in Zeit allein messen… Die Idee, die abgelegene, fast ausnahmslos verfallene Insel wiederzubeleben und zu einem Wahrzeichen der Bucht von Kotor sowie Hotel und Ort der Begegnung umzuwandeln, steht als Träumerei schon seit 2009 im Raum. Die Pachtvereinbarung der Insel wurde 2014 unterschrieben. Es ist also ein Projekt mit einigem Vorlauf, in das reichlich Vision, Passion und Schweiß eingeflossen sind. Nun konnten wir im Sommer 2022 endlich im Soft-Opening mit der Operative beginnen und die zum Teil herausfordernden logistischen Prozesse einfahren, bevor wir im März 2023 in die erste volle Saison starten.
F: Weshalb sollten wir unbedingt bei Ihnen absteigen?
HAS: Ich denke, es gibt wenige Orte – in ganz Europa, wenn nicht weltweit –, an denen sich eine atemberaubende Naturkulisse, ein architektonisches Meisterwerk und ein holistisches Hotelkonzept auf einer Insel so miteinander verbinden wie auf Mamula Island. Sie ist perfekt für einen Kurzurlaub zur Entspannung, eine naturverbundene Auszeit für Yoga oder Meditation, ein Familienfest oder einen Konzertbesuch – Mamula Island ist zu jeder Jahreszeit und jedem Anlass ein Erlebnis.
„Diese Gemeinschaft, Nachbarschaftshilfe und Präsenz der Natur in Montenegro sind ein krasser Kontrast zum urbanen Umfeld in Berlin und London.“
F: Woran müssen Hoteliers denken, worüber sich andere keine Gedanken machen?
HAS: Reisende und Gäste sind verwöhnt, oft weit gereist und wissen genau, was sie für ihr Geld erwarten können. Und das ist auch gut so. Ich halte mir aber auch immer vor Augen, dass es sich um einen Gast handeln kann, der für einen besonderen Anlass reist oder sich vielleicht auch nur einmal im Jahr eine Auszeit gönnt oder leisten möchte. Da muss eben alles stimmen. Die Erwartungen zu übertreffen, ist etwas, dem sich ein guter Hotelier täglich stellen sollte. Darüber hinaus mache ich mir stets bewusst, dass mein Team und ich mehr als nur ein Unternehmen oder ein Hotel repräsentieren. Wir handeln als Stellvertreter und Botschafter für eine ganze Region, eine fremde Kultur und ihre ganze Bevölkerung. Das ist eine große Verantwortung. Es sind Eindrücke, die Reisende mit nach Hause nehmen und die ihre Erinnerungen an eine Destination prägen.
F: Worüber machen Sie sich zu viele Sorgen?
HAS: Das gilt wohl für viele Hoteliers, aber in meinem Fall ist es bestimmt das Wetter! (lacht) Wenn man auf einer Insel die Verantwortung für das Wohlsein seiner Gäste und MitarbeiterInnen trägt, bleibt das einfach nicht aus. Darüber hinaus bin ich ein großer Verfechter von Pünktlichkeit. Dem Klischee entsprechend ist das vielleicht meine deutsche Tugend. Aber wenn etwas nicht effizient oder zeitnah erledigt wird, nervt mich das schon sehr.
F: Wie sind Sie als Chef?
HAS: Ich bemühe mich, zugänglich und ansprechbar zu sein und eine persönliche Verbindung zu jeder MitarbeiterIn, unabhängig von seiner bzw. ihrer Funktion oder Seniorität, zu pflegen. Ich halte nichts von starken Hierarchien. Dennoch handle ich nach dem Motto „hart, aber fair“. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Empathie und ein offenes Ohr oft Problemen vorbeugen.
F: Welche Eigenschaften braucht ein guter Gastgeber?
HAS: Natürlich beginnt es mit einer ausgeprägten Sozialkompetenz. Um das Wohlbefinden von Gästen zu beeinflussen, muss man zunächst Stimmungen, Gefühle und Erwartungen zu lesen und verstehen wissen. Ich denke oftmals in „Zielgruppen“. Das ist mir wahrscheinlich aus meinem Kommunikationsstudium hängen geblieben. Den Gast zu verstehen und ihm zuzuhören, ist der erste Schritt, um ihm ein Erlebnis oder Angebot anzubieten, welches ihm gefällt. Die Eigenschaften sind denen eines guten Chefs gar nicht unähnlich. Darüber hinaus finde ich Ehrlichkeit und Authentizität extrem wichtig. Gäste merken es, wenn man sich verstellt und ihnen etwas verkauft, an das man nicht glaubt. Das ist aber auch etwas, an dem ich kein Interesse habe.
F: Welche Gäste mögen Sie am liebsten?
HAS: Das spannendste am Umgang mit Gästen ist die Begegnung und der Austausch mit ihnen. Das kann sehr motivierend und inspirierend sein – für beide Seiten. Dazu gehört natürlich auch konstruktives Feedback. Für mich sind die liebsten Gäste solche, die sich mit offenem Herzen auf ihren Aufenthalt einlassen – und die neugierig sind und sich mal etwas empfehlen lassen, was vielleicht außerhalb ihrer Komfortzone oder Kenntnis liegt. Mit diesem Überraschungsmoment entstehen oft die tollsten Erinnerungen.
F: Was können Sie bei Gästen nicht leiden?
HAS: Das ist eine schwierige Frage. Denn es kann wirklich sehr befriedigend sein, einen kritischen Gast während seines Aufenthalts zu überzeugen, und oftmals entstehen so lange Bindungen und loyale Stammgäste. Aber wenn ich etwas wählen muss, sind es natürlich „chronische Meckerer“; Gäste, denen man es einfach nicht recht machen kann. Glücklicherweise kommt das eher selten vor.
F: Was ist Ihr Anspruch an Ihr Hotel, und wie haben sich die Ansprüche Ihrer Gäste in den vergangenen Jahren verändert?
HAS: Hier spielt uns die geografische Alleinstellung unserer kleinen Insel klar in die Karten. Besonders während und infolge der Covid-Pandemie ist die Nachfrage nach „Escapism“ – kurz: Erlebnissen in Abgeschiedenheit, voller Authentizität und Privatsphäre, oft nahe an der Natur – stark gestiegen. Mit nur 32 Zimmern und Suiten sind wir ein Boutique-Hotel auf einer eigenen Insel, womit wir diesem Bedürfnis fast automatisch gerecht werden. Unser Anspruch liegt darin, unseren Gästen auf Mamula Island durch unsere drei Restaurants, dem eigenen Strand, einem holistischen Spa und vielfältigem Aktivitäten- und Kulturangebot einen abwechslungsreichen Hotelaufenthalt auf internationalem Top-Niveau anzubieten. Gleichzeitig ist uns wichtig, dass die Produkte, Erlebnisse und Services bis ins kleinste Detail unverwechselbar und kompromisslos montenegrinisch sind. Somit ist gewährleistet – sogar sollten die Gäste während ihres Aufenthalts die Insel nicht verlassen und ihre Zeit ausschließlich im Hotel verbringen –, dass die lokale Verwurzelung unseres Produkts rundum erlebbar ist.
F: Als Hotelier und Gastgeber erleben Sie einen spannenden Alltag. Welche Geschichte müssen Sie uns unbedingt erzählen?
HAS: Ich habe meine Ausbildung in einem gehobenen, aber bescheidenen hanseatischen Privathotel gemacht und wollte danach gezielt bei einer der großen Internationalen Luxusketten in den USA meine Erfahrungen erweitern. In meiner ersten Woche habe ich dort bei einem „Rehearsal Dinner“ für eine meines Erachtens damals sehr große Hochzeit die 450 Gäste begrüßt. Der Abend stand unter dem Motto „1’001 Nacht“ und fand in einem riesigen Baldachinzelt am Strand statt; meine Uniform wurde zeitweise durch die eines Aladdin ersetzt, als junger Norddeutscher war ich zwischen den Fakiren, Kobras und sechs(!) Kamelen stationiert. Es war die völlige Reizüberflutung, ich kannte das Konzept eines „Rehearsal Dinners“ ja nur aus dem Fernsehen. Dabei war dies nur der Abend vor der eigentlichen Hochzeit! Ich kam mir vor wie eine Landpomeranze, die zum ersten Mal in die große, weite Welt entlassen wurde. Mit der Zeit habe ich schnell Erfahrung gesammelt in solchen oder ähnlichen Events der Superlative, aber dieser Abend ist mir in besonderer Erinnerung geblieben.
„Die Erwartungen zu übertreffen, ist etwas, dem sich ein guter Hotelier täglich stellen sollte.“
F: Was halten Sie von Airbnb?
HAS: Es kann eine spannende Möglichkeit sein, um Land und Leute kennenzulernen und so auf eigene Faust und durch die Augen eines Einheimischen eine Destination zu entdecken. Andererseits finde ich es moralisch schwierig, wenn dadurch in vielen Städten Wohnraum blockiert wird und es Familien, Studenten oder Berufsanfängern vielerorts kaum gelingt, Wohnungen zu bezahlbaren Mieten zu finden. Da muss definitiv eine bessere politische Lösung her. Und für mich persönlich ist ein Hotelaufenthalt einfach immer etwas Besonderes. Ich mag die Aufmerksamkeiten und den Service, der mir nur im Hotel zuteil wird. Zudem liebe ich ein ausgedehntes Hotelfrühstück.
F: Worauf achten Sie, wenn Sie selbst auswärts übernachten?
HAS: Das kommt meist auf den Grund meiner Reise an. Ich bin natürlich immer interessiert und neugierig, attraktive Hotelkonzepte und Neueröffnungen, aber auch alteingesessene Ikonen der Hotellerie zu erleben. Oftmals spielt die Lage des Hotels eine Rolle und natürlich das Verhältnis von Preis und Leistung. Aber was immer haften bleibt, sind die Menschen. Wenn der Service, die Aufmerksamkeit und die Liebe zum Detail stimmen, hat man mich schnell als loyalen Stammgast und Botschafter gewonnen.
F: Welches ist das beste Hotel der Welt (außer Ihrem eigenen), in dem Sie selber bereits übernachtet haben?
HAS: Das ist wirklich schwer zu beantworten, weil das eine sehr persönliche Wahrnehmung ist. Glücklicherweise ist die Liste an Hotels, welche ich sehr schätze, lang. Manchmal kommen ja ein paar Faktoren zusammen, die einen Hotelaufenthalt perfekt machen. Die richtige Gesellschaft. Oder das perfekte Wetter. Ich würde hier daher zwei (sehr gegensätzliche) Lieblingshotels nennen: Das Wiesergut in Saalbach-Hinterglemm ist ein familiengeführtes Kleinod, in dem für mich wirklich alles stimmt. Ich kenne wenige Hotels, die so kompromisslos lokal sind und sich dadurch einfach zu 100 Prozent darauf konzentrieren, was sie am allerbesten können. Das empfinde ich als unglaublich luxuriös. Wenn ich die Kreise etwas exotischer ziehen sollte, würde ich jederzeit wieder im Phum Baitang in Siem Reap, Kambodscha absteigen. Die Hotelanlage liegt in einem Reisfeld unweit der historischen Stätten von Angkor Wat, und das Servicelevel und Engagement der MitarbeiterInnen hier haben mich stark beeindruckt.
F: Welches Hotel würden Sie selber gerne besitzen?
HAS: Darüber habe ich so noch nicht nachgedacht. Vielleicht ein kleines Hotel am Meer oder in den Bergen, eingebunden in die Natur? Das könnte ich mir mehr und mehr vorstellen.
F: Wo steht Ihr eigenes Bett?
HAS: Natürlich unweit von Mamula Island. Ich habe vorerst meine Zelte in Deutschland abgebrochen und lebe nun in einem kleinen Steinhaus, welches ursprünglich zu einer alten Olivenmühle gehörte, auf der Halbinsel Lustica. Diese trennt die Adria von der Bucht von Kotor und stellt eine landschaftlich sehr spannende Kulisse zwischen Buchten, kristallklarem Wasser und steilen Berghängen dar. In meinem Dorf wohnen drei Familien, die mich schnell eingebunden haben und über die lokalen Gepflogenheiten und Bräuche sowie die Sprache oder typische Rezepte informierten. Eine Nachbarin backt mein Brot, die andere teilt selbstgemachten Käse und frische Eier, der Dritte hilft aus mit Feuerholz. Diese Gemeinschaft, Nachbarschaftshilfe und Präsenz der Natur sind ein krasser Kontrast zum urbanen Umfeld in Berlin und London, das ich in den Jahren zuvor erlebt habe.
Das hält Henning A. Schaub von…
Kreuzfahrtschiffen:
Aus operativer Sicht: logistische Meisterwerke!
Buffet-Essen:
Ich stehe nicht gern an. Und ich finde es verschwenderisch. Gefällt mir gar nicht.
All-inclusive:
Funktioniert für mich persönlich nicht. Aus eigener Erfahrung sind die Dinge, die ich gerne möchte, immer NICHT inkludiert. Ich verstehe den Reiz nicht, maßlos zu sein.
Trinkgeld:
Eine Selbstverständlichkeit.
Hunden im Restaurant und im Hotel:
Warum nicht?! Wenn sie gut erzogen sind…
Kindern im Restaurant und im Hotel:
Warum nicht?! Wenn sie gut erzogen sind… (lacht) Es geht schließlich um die Heranführung und Erziehung unserer zukünftigen Gäste.
Animateuren:
Unnötig.
Dresscodes:
Einschränkend. Ich ziehe Entscheidungsfreiheit und Vielfalt vor.
TripAdvisor:
Ungefilterte Information. Für mich persönlich und meine Entscheidung beim Restaurantbesuch oder der Hotelbuchung völlig irrelevant. Ich ziehe persönliche Empfehlungen vor.
OTAs:
Gute Möglichkeit, sich schnell einen Überblick zu verschaffen und – insbesondere für kleine Hotels – eine großartige Sichtbarkeit. Allerdings kommt diese mit einem sehr hohen Preis für den Hotelier.
Nachhaltigkeit:
Absolute Verpflichtung in der heutigen Zeit. Ohne Kompromisse.
Influencers:
Hilfreich, um neue Zielgruppen zu erreichen. Schwierig zu quantifizieren.
Fachkraeftemangel:
Bittere Realität. Ich wünsche mir und erarbeite kreativere Lösungen.
Sterne:
Überholtes, traditionelles Orientierungsmerkmal.
Mamula Island
Dort, wo der Himmel aufs Wasser trifft, liegt Mamula Island in der Bucht von Kotor vor der Küste Montenegros. Die neue Boutique-Perle hat einiges auf dem Kerbholz, boten dessen Mauern doch früher Schutz als Fort und Gefängnis. Umgeben vom Blau der Adria lässt es sich auf dem UNESCO-geschützten Grund inmitten von minimalistischem Design in einem von 32 Zimmern wunderbar entspannen. Naturstein, Eichenholz und Messing zelebrieren Natürlichkeit und zollen gleichzeitig den Materialien Tribut, die in Montenegro Tradition haben. Wem der Blick auf den Horizont, die segelnden Vögel und die schaukelnden Wellen nicht genügen, der findet Zerstreuung im Spa, am Strand, in einem von drei Pools, drei Restaurants und vier Bars. mamulaisland.com